Auf der Prioritätenliste der Ausbildungsberufe stehen bei Mädchen Dienstleistungsberufe, pflegerische und medizinische Ausbildungen an oberster Stelle, bei Jungen führt der KfZ-Mechatroniker die Wunschliste an. Auch sind junge Frauen eher in schulischen Ausbildungsgängen vertreten, während junge Männer in dualen Ausbildungsgängen überwiegen. Rollenklischees und geschlechtstypisches Verhalten nicht nur bei den jungen Leuten und ihren Eltern sondern auch bei Arbeitgebern führen noch zu oft zu einer traditionellen Berufswahl. Junge Frauen und Männer können ihre beruflichen Potenziale dadurch nicht in vollem Umfang ausschöpfen. Gerade junge Frauen fragen bei ihrer Entscheidung noch zu selten nach der Höhe des Einkommens und der beruflichen Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Das hat weitreichende Konsequenzen, denn der Grundstein für die eigenständige Existenzsicherung wird bereits mit der Berufswahl gelegt.
Der Berufswahl und dem Übergang von Schule in Beruf und Studium kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Schulen können Stellschrauben sein für eine chancengleiche Berufswahl jenseits von Geschlechterrollen. Damit dies in der Praxis gelingt, ist eine gendersensible Berufsorientierung notwendig. Lehrkräfte brauchen dafür das nötige Fachwissen. An ihnen liegt es, Vorurteile und Stereotype zu erkennen und mit ihren Schüler_innen zu reflektieren. Darum tritt die GEW dafür ein, dass Gender-Kompetenz als Schlüsselkompetenz anerkannt und in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften vermittelt wird. Lehr- und Bildungspläne, pädagogische Konzepte, Lehrmaterialien und -bücher sind kritisch zu prüfen.
Wie schulische Maßnahmen zur Berufsorientierung die Interessen von Lernenden erweitern oder begrenzen haben Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland und ihr Team an der Universität Hamburg gerade erforscht. Ausgehend von ihren Ergebnissen habe sie für Lehrkräfte, Weiterbildner_innen und Berufsberater_innen die Handreichung „Gendersensible Berufsorientierung – Informationen und Anregungen“ erarbeitet.
Geschlechterstereotype und tradierte Rollenvorstellungen in der Gesellschaft tragen bei zur ungleichen Chancenverteilung zwischen Frauen und Männern über alle Lebensphasen hinweg. Eine systematische gendersensiblen Berufsorientierung kann hier entgegen wirken. Sie macht deutlich, dass die Unterteilung in „Männer- und Frauenberufe“ auf Zuschreibungen beruht, die nichts mit Kompetenzen zu tun haben und schon gar nichts mit Entfaltungsmöglichkeiten. Übliche Pfade zu verlassen mit den Jugendlichen an einer Verbreiterung ihres Berufswahlspektrums zu arbeiten, ihre Lebensplanung einzubeziehen – darin liegen die Chancen und der Auftrag einer geschlechtersensiblen Berufsorientierung in der Schule.