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Berg Fidel – eine Schule für alle

500.000 Kinder in Deutschland gelten als „lernbehindert“, 80 Prozent von ihnen besuchen Förderschulen. Der Dokumentarfilm „Berg Fidel – eine Schule für alle“ zeigt, dass es Alternativen gibt.

Lucas hat Lernprobleme, Anita aus dem Kosovo droht die Abschiebung, Jakob hat das Down-Syndrom: Alle drei Kinder gehen auf die Grundschule in Berg Fidel. Der fröhlich klingende Name des Hochhausviertels am Rande Münsters täuscht, es handelt sich um einen sozialen Brennpunkt. Die Schülerinnen und Schüler kommen aus 30 Nationen, viele aus Flüchtlingsfamilien. Die Schule nimmt alle Kinder „ohne Einschränkung“ auf, auch Lernbehinderte oder Kriegstraumatisierte. Die Sechs- bis Zehnjährigen werden altersübergreifend betreut, stets von mehr als einer Lehrkraft: Neben der Klassenlehrerin gehören eine Sonderpädagogin sowie studentische Honorarkräfte zum Team, manchmal eine Erzieherin.

Das Lehrerteam orientiert sich an reformpädagogischen Konzepten. In einem Praxisbuch wirbt Schulleiter Reinhard Stähling (s. Interview S. 33) gemeinsam mit seiner Kollegin Barbara Wenders für eine inklusive Grundschule, die Lernbehinderte und Kinder aus einkommensschwachen Familien nicht ausgrenzt. Über seine Zielgruppe weiß er präzise Bescheid. Eine Befragung in Kooperation mit den drei Kitas des Stadtteils ergab, dass 40 Prozent der Kinder ohne Frühstück zur Schule kommen. 23 Prozent haben eine schwer verständliche Aussprache, genauso viele „motorische Defizite“. Bei zwei von fünf Schülern besteht „zahnärztlicher Behandlungbedarf“, bei drei Viertel „Förderbedarf in deutscher Sprache“.

Gängige Diagnosen wie „verhaltens­auffällig“ und „lernbehindert“ hält Stähling für bequeme Etiketten, mit denen „Kinder schon in jungen Jahren aussortiert werden“. Für seinen Stadtteil schlägt er das gemeinsame Lernen bis zur 10. oder besser bis zur 13. Klasse vor. Gerade die Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen hätten in vier Jahren Grundschule nicht genug Zeit, ihre sprachlichen und sozialen Kompetenzen zu entwickeln. Überschaubare Schulen, die Aufgaben der Jugendhilfe mit übernehmen und sich als Zentrum für Familienberatung verstehen, seien das „Zukunftsmodell besonders im sozialen Brennpunkt“.

Im Herbst 2012 kam ein Dokumentarfilm über die Grundschule Berg Fidel in die Kinos, der auch als DVD zu beziehen ist. Der Film folgt den Schülerinnen und Schülern durch den Unterricht und in der Freizeit, lässt sie von ihren Träumen, ihrem Leben und ihren Stärken erzählen. Die unkommentierte Originalton-Collage bietet einen lebendigen Einblick in das „inklusive“ Schulkonzept.

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