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Belarus

Inhaftiert, geschlagen und zu 15 Tagen Haft verurteilt

Der Heinrich-Rodenstein-Fonds der GEW unterstützt verfolgte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Belarus. Viele leben heute in Polen.

(Foto: Pixabay, CC0)

Montag, 1. März 2021. Drei Polizisten stehen vor der Wohnungstür. Hausdurchsuchung! Ekaterina M.*, Englisch-Dozentin an der Belarusian State University (BSU) in Minsk, ist geschockt. Die Sicherheitskräfte beschlagnahmen ihren Laptop und ihr Smartphone. „Sie verboten mir außerdem, weiter den Messenger-Kanal unserer Gewerkschaft zu organisieren“, berichtet die 40-Jährige. Bei Zuwiderhandlung drohe ihr fünf Jahre Haft. An der BSU wurde sie entlassen.

Ekaterina gehört zur Belarusian Free Trade Union (SPB), deren lokale Einheit („Primarorganisation“) sie im Oktober 2020 an der BSU mitgegründet hatte. Zusammen mit Hunderttausenden ging sie im Sommer 2020 auf die Straße, um gegen die Wahlfälschung durch Präsident Alexander Lukaschenko zu protestieren. Nach der Hausdurchsuchung verließ die Dozentin zusammen mit Mann und Tochter das Land. Sie lebt heute in Polen. „Von hier aus unterstütze ich, so gut es geht, die gewerkschaftliche Arbeit in Belarus“, sagt die Dozentin. Sie fühle sich sicher. „Aber ich kann nicht zurück nach Belarus, weil man mich dort als Kriminelle verfolgen könnte“. Ihr Vater sei im September gestorben. „Ich konnte nicht zur Beerdigung fahren.“

Zum Staatsfeind erklärt

Die GEW protestierte im Mai und Juli 2021 in einem Brief an den Bildungsminister von Belarus gegen die Verfolgung und Entlassung von Hochschulangehörigen. Bildungsgewerkschaften aus den USA, Großbritannien, Polen, Tschechien und Ungarn schrieben ebenfalls Protestbriefe. Der Heinrich-Rodenstein-Fonds der GEW unterstützt Verfolgte wie Ekaterina M.

Hilfe aus diesem Fonds erhält auch Daniil K.*, ehemals leitender Dozent der Juristischen Fakultät der BSU in Minsk und Mitglied der SPB. Im August 2020 solidarisierte er sich mit Studierenden, die in einer Petition an den Dekan der Rechtsfakultät die Menschenrechtsverletzungen in Belarus anprangerten. Er organisierte ferner einen Messenger-Kanal, über den sich aktive Hochschulmitglieder vernetzten. „Deshalb wurde er von der Regierung zum Staatsfeind erklärt, seine persönlichen Daten wurden veröffentlicht und er wurde auf eine schwarze Liste gesetzt.“ Das berichtet Carmen Ludwig, Referentin für Internationales beim GEW-Hauptvorstand. Die Behörden drohten ihm, seine Kinder wegzunehmen. Daniil K. verlor seine Dozenten-Stellung, er wurde inhaftiert, geschlagen und zu 15 Tagen Haft verurteilt. Der Jurist floh nach Polen.

Minsk-Protokolle“ heißt eine Broschüre, in der weitere verfolgte belarussische Akademikerinnen und Akademiker Zeugnis ablegen. Eine von ihnen ist die Historikerin Katsiaryna Krywitschanina, ehemals angestellt am Institut für Geschichte der Nationalen Akademie der Wissenschaften in Minsk. Sie schreibt: Das „Ausmaß der Gewalt“ sowie „die Unverfrorenheit und das Vertrauen in die Straflosigkeit der Täter“ nach dem 9. August 2020 habe sie und ihre Kollegen „zutiefst erschüttert“. Als Historikerin sehe sie „Parallelen zur jüngsten Vergangenheit“ – „zum totalitären sowjetischen Staat, in dem das Leben des Einzelnen mit seinem Standpunkt, seiner Meinung völlig wertlos war“.

Der Heinrich-Rodenstein-Fonds wurde nach Heinrich Rodenstein benannt, der zu den Mitbegründern der GEW zählt und von 1960 bis 1968 Vorsitzender der GEW war. Der Fonds fördert jene, die wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements oder aus politischen Gründen bedroht oder verfolgt werden. Auch Opfer von Naturkatastrophen gehören zur Zielgruppe.

Gegründet wurde der als gemeinnützig anerkannte Hilfsfonds 1981. Was er ausschüttet, finanzieren GEW-Mitglieder und andere Förderinnen und Förderer mit ihren Spenden. Die Verwaltungskosten trägt die GEW.

Er half unter anderem den Mitgliedern der Bildungsgewerkschaft in Myanmar (verfolgte Lehrkräfte nach dem Militärputsch 2021), in Kroatien (Erdbeben im Dezember 2020), in Burkina Faso (Regierung drangsalierte Mitglieder der Partnergewerkschaft F-SYNTER) und Argentinien (Deutsche Schule entließ einen Lehrer wegen dessen gewerkschaftlichen Engagements). Seit 2016 unterstützt er regelmäßig Mitglieder der türkischen Bildungsgewerkschaft Eğitim Sen, die nach Deutschland fliehen mussten.

Vertrag nicht verlängert

Katsiaryna Krywitschanina wurde im Oktober 2019 gemeinsam mit Aliaksei Schalanda zur Vorsitzenden der staatsnahen Gewerkschaftsorganisation ihres Instituts gewählt. Die Repressionen begannen, als sie sich kritisch engagierten. Sie berichtet: Seit Anfang 2020 verhandelte die Gewerkschaft mit der Institutsleitung über einen neuen Tarifvertrag. Dieser sollte die Angestellten sozial und arbeitsrechtlich stärker absichern. Die Institutsleitung brach die Verhandlungen ab. Im August 2020 beteiligten sich Angehörige des Instituts an den Protestaktionen und unterschrieben offene Briefe gegen die Gewalt. Die Institutsleitung verlangte von diesen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihre Unterschriften zurückzuziehen. „Man drohte ihnen mit dem Verlust des Wohnheimplatzes“, so Krywitschanina. Ihr habe die Institutsleitung geraten, als Gewerkschaftsvorsitzende zurückzutreten. Sie weigerte sich. Am 17. November 2020 erfuhr sie, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird. „Für mich bedeutet das den Verlust meines Berufs, meiner Arbeit und meiner Wohnung.“

„Ich halte die Nichtverlängerung der Verträge für eine Form der politischen Verfolgung.“ (Aliaksei Schalanda)

Ähnliches erlebte ihr Kollege Aliaksei Schalanda. „Ich halte die Nichtverlängerung der Verträge für eine Form der politischen Verfolgung“, urteilt Schalanda. Etwa 90 Prozent der Arbeitsverhältnisse in Belarus sind befristet. „Ein Zustand des Ausgebranntseins“ halte an, so der Wissenschaftler. Zwölf Historikerinnen und Historikern des Instituts verloren zum 31. Dezember 2020 ihre Arbeit – bei sieben wurde der Vertrag nicht verlängert, fünf kündigten aus Solidarität. Auch Aliaksei Schalanda und Katsiaryna Krywitschanina konnten mit Mitteln des Heinrich-Rodenstein-Fonds unterstützt werden, sie leben heute ebenfalls in Polen.

*Name von der Redaktion verändert