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GEW-Bewertung der Tarifpolitik im Koalitionsvertrag

Beim Arbeitszeitgesetz einmischen und Arbeitnehmerschutzrechte beobachten

Tariftreuegesetz, Arbeitszeit, Mitbestimmung und Pauschale Beihilfe: Die GEW hat den Koalitionsvertrag der künftigen Ampelregierung auf Aussagen zur Tarifpolitik überprüft - und findet gute Ansätze, moniert aber auch fehlende Stichworte.

Die GEW wird darauf achten, dass Arbeitnehmerschutzrechte nicht als vermeintliche „Modernisierung“ über Bord gehen.

Die GEW hat den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP mit Blick auf die künftige Tarifpolitik unter die Lupe genommen. Dabei schauten sich die Expertinnen und Experten der Gewerkschaft insbesondere die Aspekte Tarifautonomie, Gewerkschaftsrechte und Mitbestimmung im öffentlichen Dienst an.

Gute Ansätze erkennt die GEW beispielsweise in der Ankündigung eines Tariftreuegesetzes auf Bundesebene oder dem Vorhaben, die Behinderung von Mitbestimmungsrechten als Offizialdelikt einzustufen. Damit werden zwei langjährige Forderungen des DGB und der Gewerkschaften erfüllt.

Bei den Ausführungen zur Tarifbindung fehlen jedoch wesentliche Stichworte wie die erleichterte Allgemeinverbindlich-Erklärung von Tarifverträgen. Erforderlich wäre es hier, die Veto-Möglichkeiten der Arbeitgeberverbände einzuschränken. 

Dialog beim Thema Arbeitszeit gefordert

Möglichen gesellschaftlichen Fortschritt sieht die GEW bei der Absicht, „gemeinsam mit den Kirchen“ zu prüfen, inwiefern das kirchliche dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden könne. Auch dies ist eine Forderung der Gewerkschaften, da nicht vermittelbar ist, weshalb Beschäftigte in Kitas, Sozial- und Behinderteneinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft weniger Rechte haben sollen als Beschäftigte bei anderen Trägern. 

Beim Thema Arbeitszeit und Arbeitsort prallen nach Einschätzung der GEW noch unterschiedliche Weltsichten aufeinander: die der neoliberalen Deregulierer mit der einer durch Sozialpartner auf Augenhöhe verhandelten Regulierung der Arbeitsbeziehungen. Die GEW und die anderen Gewerkschaften werden daher darauf achten, dass Arbeitnehmerschutzrechte nicht als vermeintliche „Modernisierung“ über Bord gehen.

Die GEW begrüßt derweil, dass der sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Arbeitszeit ergebende Anpassungsbedarf wie angekündigt „im Dialog mit den Sozialpartnern“ erfolgen soll. Dabei gelte es zu verhindern, dass nur die Industrie und private Dienstleistungssektoren in den Blick genommen werden. Da die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes auch im Bildungswesen ein großes Thema ist, wird sich die GEW in den versprochenen Sozialpartnerdialog einbringen.

GEW vermisst Mitbestimmungsrecht

Darüber hinaus geht der Koalitionsvertrag nach Bewertung der GEW zwar ausführlich darauf ein, wie die Ampel-Koalition Staat und Verwaltung moderner, digitaler und effektiver machen will. Dabei wird indes nur der Blick von außen, also die Sicht der Bürgerinnen und Bürger, berücksichtigt. Die geplanten Vorhaben umsetzen müssen aber die Menschen, aus denen Staat und Verwaltung bestehen.

Dazu braucht es aus Gewerkschaftssicht ein fortschrittliches Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst. „Leider taucht das Stichwort Personalvertretung auf den fast 180 Seiten kein einziges Mal auf“, kritisieren die GEW-Fachleute – obwohl es an anderer Stelle des Koalitionsvertrags heiße: „Die Mitbestimmung werden wir weiterentwickeln.“ 

Pauschale Beihilfe einführen

Auch bei der Durchlässigkeit zwischen öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft fehlt der GEW ein entscheidendes Stichwort: die Pauschale Beihilfe, also die Möglichkeit, auch als Beamtin oder Beamter Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu werden bzw. zu bleiben. Zwar haben inzwischen mehrere Bundesländer das vom DGB befürwortete sogenannte Hamburger Modell übernommen. Beim Bund hingegen sind Beamtinnen und Beamte weiter faktisch gezwungen, sich privat zu versichern, weil sie ihren Beitrag zur GKV ohne Arbeitgeberzuschuss selbst tragen müssten. Die GEW plädiert daher für die Einführung einer Pauschalen Beihilfe.

Ambivalent zu bewerten ist unterdessen die Aussage, Verfassungsfeinde „schneller als bisher“ bzw. „umgehend“ aus dem öffentlichen Dienst oder aus der Bundeswehr entfernen zu wollen. Die GEW teilt zwar die Auffassung, dass Rechtsextreme nichts im öffentlichen Dienst oder in der Bundeswehr verloren haben. Dennoch ist hier Wachsamkeit gefordert: Eine Schwächung der Rechte der Beschäftigten oder eine Verkürzung des Rechtsschutzes lehnt die GEW entschieden ab. Die Gewerkschaft erinnert in diesem Zusammenhang an das Unrecht, das in den vergangenen Jahrzehnten durch den sogenannten Radikalenerlass mit Berufsverboten angerichtet worden sei.