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Gastkommentar

Ausbau UND Qualität

Die Politik steht vor einer doppelten Herausforderung: Zur Erfüllung der Rechtsansprüche ist der Kita-Ausbau weiter voranzutreiben. Zugleich muss es aber auch darum gehen, die Bedingungen in den Kitas und der Tagespflege zu verbessern.

Die Kita leistet mehr als nur Betreuung: Neben der Familie wird sie längst als eigenständiger Bildungsort in den ersten Lebensjahren eines Kindes verstanden. Dazu haben neben den PISA-Ergebnissen aus dem Jahr 2001 auch die Einführung von Bildungsplänen und eine stark gestiegene Akzeptanz der Kita bei den Eltern beigetragen.

Rein quantitativ ist das Feld der Kindertagesbetreuung massiv gewachsen: Im Vergleich zu vor zehn Jahren besuchen mehr als 100.000 zusätzliche Kinder ab drei Jahren sowie nahezu 430.000 Kinder, die jünger als drei Jahre sind, diese Angebote. Damit nutzen über eine halbe Million Kinder mehr Kita und Kindertagespflege. Aufgrund des Geburtenanstiegs, der hohen Zuwanderung in 2015 und 2016 sowie der noch immer steigenden Elternwünsche muss der quantitative Ausbau in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.

Die Fachkräfte müssen sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse und Erfahrungen einstellen.

Diese Entwicklungen führen auch dazu, dass die Heterogenität in den Einrichtungen weiter zunimmt: Immer mehr sehr junge Mädchen und Jungen sowie Kinder mit Migrationshintergrund, die zu Hause nicht vorrangig Deutsch sprechen, aus ökonomisch deprivierten Elternhäusern sowie mit Behinderungen besuchen Kitas oder Tagespflegestellen. Die Folge: Die Fachkräfte müssen sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse und Erfahrungen einstellen. Dies bindet nicht nur zeitliche Kapazitäten – sondern führt auch zu einem erweiterten Bedarf an Kompetenzen des Personals.

Seit Jahren müssen große Anstrengungen unternommen werden, um qualifiziertes Personal zu finden. In den kommenden Jahren wird dies noch schwieriger werden, da einige Möglichkeiten – etwa Mütter möglichst früh aus der Familienphase zurück in den Beruf zu holen oder älteres Personal länger zu binden – mittlerweile nahezu ausgeschöpft sind. Ein einfaches „Weiter so“ wird die Probleme also nicht lösen. Die Politik ist gefordert, neue Wege einzuschlagen und kurzfristig Maßnahmen zu entwickeln, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Ein Weg ist, die Attraktivität des Arbeitsfeldes zu steigern, um neue Zielgruppen für den Beruf zu gewinnen. Das Ende 2018 beschlossene Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetz (KiQuTG) markiert einen ersten Schritt in die richtige Richtung, weil der Bund damit – zunächst befristet bis 2022 – 5,5 Milliarden Euro unter anderem für Qualitätsverbesserungen in die Finanzierung der Kindertagesbetreuung einbringen will. Damit soll und kann die Strukturqualität in den Kitas erhöht werden; gleichzeitig können die Belastungen der Fachkräfte reduziert werden: Beispielsweise sind Verbesserungen der Personalschlüssel oder Erhöhungen der Leitungsanteile in den Einrichtungen möglich.

Auch umfangreiche Fort- und Weiterbildungsangebote, mehr Fachberatung oder bessere räumliche Ausstattungen können die Arbeitsbedingungen verbessern und attraktiver gestalten.

Beide Maßnahmen zielen darauf ab, den Fachkräften mehr Zeit für die pädagogische Arbeit zur Verfügung zu stellen. Denn die fehlt ihnen bislang häufig, was gleichzeitig die Arbeitsbelastung erhöht. Doch auch umfangreiche Fort- und Weiterbildungsangebote, mehr Fachberatung oder bessere räumliche Ausstattungen können die Arbeitsbedingungen verbessern und attraktiver gestalten. Allerdings entscheiden die Länder, für welche Maßnahmen sie die Bundesmittel ausgeben. Sie können die Gelder beispielsweise auch dafür nutzen, die Elternbeiträge zu senken oder ganz zu streichen.

Die Politik steht also vor einer doppelten Herausforderung: Zur Erfüllung der Rechtsansprüche ist der Ausbau der Kindertagesbetreuung weiter voranzutreiben, was vor allem mit Blick auf den hohen Fachkräftebedarf enorme Anstrengungen und neue Denkansätze erfordert. Zugleich muss es aber auch darum gehen, die Bedingungen in den Kitas und der Tagespflege so zu verbessern, dass Personal gehalten werden kann und die hohe Anzahl zusätzlich benötigter Fachkräfte für den Beruf motiviert und gefunden wird. Nur so kann beides gelingen: Fachkräftegewinnung und Qualitätsverbesserung.