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Leitung in Bildungseinrichtungen

„Aus- und Weiterbildung ist das A und O“

Ob Personalführung, Teamentwicklung, Dienstplan oder Betriebswirtschaft: Die Aufgaben einer Kita-Leitung sind enorm. Dafür braucht es Zeit und Qualifikation.

Kati Nguimba hat eine klare Vorstellung davon, wie sie die Kita leiten möchte. „Kollegiale Führung“ nennt sie ihren Stil. Konkret heißt das: Verantwortung abgeben und das Team so viel wie möglich selber entscheiden lassen. (Foto: Kay Herschelmann)

Bei ihrer ersten Stelle als Kita-Leiterin in einem Berliner Kinderladen hat Kati Nguimba die Dienstpläne nach Feierabend zu Hause geschrieben. „In so einer kleinen Einrichtung bist du Erzieherin und machst die Kita-Leitung quasi im Ehrenamt“, berichtet die 51-Jährige. Wie Excel-Tabellen die Zahl der Überstunden automatisch ausrechnen oder das Budget mit Einnahmen und Ausgaben auflisten, hat sie sich selbst beigebracht. Größere Herausforderungen waren Personalführung und Teamentwicklung. „Doch daran hakt es leider oft.“ Im Alltag fehle es Leitungskräften häufig an Qualifikation – und Zeit.

„Kollegiale Führung“

Auch Nguimba merkte schnell, dass ihre Leitungstätigkeit neben der normalen Gruppenarbeit auf der Strecke blieb. „Es war kaum möglich, das große Ganze im Blick zu haben oder pädagogische Prozesse anzustoßen.“ Deshalb suchte sie sich bewusst eine Stelle, die diesen Spagat nicht mehr erforderte, und arbeitet jetzt in einer kommunalen Einrichtung mit 115 Kindern in Berlin-Wedding. Da sie viel Fachliteratur liest und regelmäßig Fortbildungen besucht, hat Nguimba eine klare Vorstellung davon, wie sie die Kita leiten möchte. „Kollegiale Führung“ nennt sie ihren Stil. Konkret heißt das: Verantwortung abgeben und das Team so viel wie möglich selbst entscheiden lassen.

Als Nguimba ihre neue Stelle antrat, stieß sie auf eine Einrichtung mit sehr hierarchischen Strukturen. So habe die frühere Leiterin zum Beispiel nach einer Fortbildung mehr oder weniger im Alleingang beschlossen, die Kita auf offene Arbeit umzustellen – und die Gruppenräume kurzerhand zu Funktionsräumen umgestaltet, die allen Kindern aus allen Gruppen offen stehen. „Das kann nicht gelingen“, sagt Nguimba. Kein Wunder, dass das Team frustriert gewesen sei. Für sie stand fest, dass sie es anders machen will. In der Einrichtung wird jetzt sehr viel mehr geredet als früher. Um ewige Debatten in großer Runde zu begrenzen, wurde die Kita in drei Abteilungen unterteilt, mit jeweils sechs bis acht Kolleginnen und Kollegen.

Freistellung für Leitung

Jedes Team entscheidet autonom über alles, was die eigene Gruppe betrifft. „Ich muss aushalten, wenn jemand anders entscheidet als ich es für richtig halte.“ Beispiel: Die Leiterin ist ein großer Fan des offenen Konzepts. Doch nicht jede Abteilung in der Kita war dazu bereit. Deshalb arbeiten zwei Gruppen offen, eine bleibt beim geschlossenen Konzept. „Das ist völlig okay“, betont Nguimba. „So etwas braucht Zeit. Gegen den Widerstand des Teams kann es nicht gelingen.“

Für ihre Leitungstätigkeit ist die Pädagogin freigestellt. Das ist nicht selbstverständlich. Das GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, Doreen Siebernik, verweist darauf, dass einem aktuellen Monitoring des Gute-Kita-Gesetzes zufolge 45,9 Prozent der Kita-Leitungen neben ihrer Leitungstätigkeit noch andere Aufgaben haben. Das stelle die Leitungskräfte vor enorme Herausforderungen. Je größer die Einrichtung, desto größer die Chance auf eine Freistellung. „Aber desto größer ist auch der Aufgabenbereich“, fügt die gelernte Erzieherin hinzu.

„Das größte Problem ist ganz klar, dass es an zeitlichen Ressourcen fehlt.“ (Doreen Siebernik)

Ob Gesundheitsschutz, Inklusion, Elternarbeit, Hygiene, Ernährung, Kinderschutz oder Digitalisierung: Die Leitung muss alles im Blick haben. Hinzu kommen Verwaltungsaufgaben wie Buchhaltung, Finanzen und Personalplanung. „Das größte Problem ist ganz klar, dass es an zeitlichen Ressourcen fehlt“, betont Siebernik. „Da bleibt kaum Luft, um Impulse für Innovationen und die Weiterentwicklung von Kitas als Bildungseinrichtungen zu geben oder sich der Personalführung zu widmen.“

Auch für Nguimba stellt sich im Alltag stets die Frage: „Was fällt hinten runter?“ Melden sich drei Fachkräfte krank, werde sich wohl kaum eine Leiterin ins Büro setzen und mit pädagogischen Grundsatzfragen auseinandersetzen. Klar ist auch, dass Dienstpläne geschrieben werden müssen; außerdem ist der Handwerker wegen der kaputten Lampe zu benachrichtigen und neues Toilettenpapier zu bestellen. Einfach mal durch die Kita laufen und jeder Fachkraft ein positives Feedback geben? Oft Fehlanzeige.

„Der Beruf muss Wertschätzung erfahren.“

Neben mehr Zeit braucht es allerdings auch das Knowhow. „Die Aus- und Weiterbildung von Kita-Leitungen ist das A und O“, sagt Nobert Hocke, aktiv im Aufsichtsrat des gemeinnützigen Kita-Trägers Fröbel. Ob Ausbau der Krippenplätze, Ganztagsbetreuung, Inklusion oder Arbeit im offenen Konzept – Kitas müssten viele Veränderungen stemmen. Zudem würden die administrativen Anforderungen immer anspruchsvoller.

Nach Ansicht von Siebernik ist eine akademische Ausbildung sinnvoll. Für Kita-Leitungen habe sich ein Studium der Kindheitspädagogik oder des Sozialmanagements bewährt. Allerdings gibt die Gewerkschafterin zu bedenken, dass aktuell nur jede vierte Absolventin bzw. jeder vierte Absolvent danach auch wirklich in der Kita arbeite. Am allerwichtigsten ist ihrer Meinung nach, dass Kita-Leitung als Profession verstanden wird: „Der Beruf muss Wertschätzung erfahren.“ Mit ihrer langjährigen Kampagne zur Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe haben die Gewerkschaften erreicht, dass Kita-Leitungskräfte endlich deutlich besser bezahlt werden. „Das macht den Beruf attraktiver“, sagt Siebernik.

Für die Kitas verlangt die GEW, die individuellen Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Jede Kita braucht passgenaue und wirksame Hygienepläne. „Die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Kitas zum Infektionsschutz sind zu beachten und umzusetzen. Weiter müssten alle Kitaträger Betriebsmediziner einsetzen, diese sollten die Risikogruppen bei den Beschäftigten beraten und im Einzelfall von der Arbeit in der Kita freistellen“, sagte GEW-Chefin Maike Finnern. Sie regte zudem an, freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten anzubieten.

  • Freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten
  • Passgenaue und wirksame Hygienepläne für jede Kita
  • Umsetzung der Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an Kitas
  • Risikogruppen von Betriebsmedizinern beraten lassen und im Einzelfall von der Arbeit an der Kita freistellen

Übersicht: Alles, was sich an Bildungseinrichtungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz in Corona-Zeiten ändern muss.

Praxiserfahrung ist wichtig

GEW-Vorstandsmitglied Siebernik betont, dass die Praxiserfahrung mindestens genauso wichtig sei wie die Theorie. Neben einer akademischen Vorbereitung auf den Beruf muss ihrer Meinung nach immer auch der klassische Weg möglich sein: Üblicherweise arbeiten Kita-Leitungen vorher jahrelang als Erzieherin in einer Einrichtung und übernehmen den Posten, wenn die Leitungskraft in den Ruhestand geht. So oder so gilt: „Kita-Leitungen müssen auf ihre Aufgaben gut vorbereitet und kontinuierlich weitergebildet werden“, sagt die Kita-Expertin. Die Träger müssten feste Fortbildungszeiten am besten bereits im Jahresprogramm verankern.

Auch Fröbel-Aufsichtsrat Hocke sieht vor allem die Träger in der Verantwortung: „Da hat zum Glück ein Umdenken stattgefunden.“ Vor allem in großen Städten wie Berlin gebe es inzwischen viele gute Angebote. Allerdings erlebe er immer wieder, dass Teilnehmerinnen eine Fortbildung im letzten Moment absagten, weil sie wegen akuter Personalnot nicht in der Einrichtung fehlen könnten. „Wir brauchen einen Personalschlüssel von 100 Prozent plus x, damit Leitungskräfte nicht immer die Löcher stopfen müssen“, fordert der Kita-Experte. Zudem sei die Situation auf dem Land deutlich schwieriger: Dort setzten sich Leitungskräfte bei Problemen häufig abends mit dem Pfarrer oder Bürgermeister zusammen. „Wir können sie damit nicht alleinlassen.“

Externer Coach

Auch Nguimba hört von Kolleginnen und Kollegen immer wieder, dass in kleinen Städten die Wege weit und die Angebote rar seien. Bei kleinen Trägern oder Elterninitiativen fehlten häufig die Strukturen. Die 51-Jährige ist dankbar über die „supertollen Möglichkeiten“ in Berlin. Dazu gehört regelmäßige Supervision: Die Leiterin hält es für sehr wichtig, sich immer wieder mit der eigenen Rolle und Biografie auseinanderzusetzen. „Das hilft zum Beispiel, Kritik annehmen zu können und nicht persönlich beleidigt zu sein.“ Auch der Austausch mit anderen Leitungskräften tut ihr gut: Wie damit umgehen, wenn eine Kollegin ständig krank ist? „Es ist wertvoll zu hören, wie andere schon mal so eine Situation gemeistert haben.“

Außerdem habe zur guten Stimmung in der Kita beigetragen, dass ein externer Coach zwei Jahre lang regelmäßig vorbeikam. Vorher herrschte in einer Abteilung oft dicke Luft, beispielsweise gab es Ärger wegen der Dienstpläne. Zusammen mit dem Coach schaute das Team genau, worum es eigentlich geht. Zum Schluss einigten sich die Kolleginnen darauf, dass sie im Wechsel alle zwei Wochen für die Planung der Dienste zuständig sind. „Das hat einiges an Zündstoff rausgenommen.“