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Tarifrunde Länder

Aus Gründen der Gerechtigkeit

Um den Fachkräftemangel zu beseitigen und die Attraktivität der Arbeit in Kitas und Schulen zu steigern, können Gehaltserhöhungen einen Beitrag leisten. Doch auch die Arbeitsbedingungen müssen besser werden.

Kaum je hat der Satz „Bildungsausgaben sind Investitionen in die Zukunft“ mehr gestimmt als in diesen Tagen. Deutschland muss in Bildung investieren, um in seinen Bildungseinrichtungen den Bedarf an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu decken, die Attraktivität der Arbeit in den Einrichtungen zu erhöhen und nicht zuletzt: aus Gründen der Gerechtigkeit. Der Fachkräftemangel in den Bildungseinrichtungen ist derzeit unübersehbar – insbesondere in den Kindertagesstätten, den Grund- und Förderschulen sowie den beruflichen Schulen.

Für den Kita-Bereich müssen die Ausbildungszahlen drastisch erhöht werden. Gebühren, die junge Menschen für die Ausbildung oft noch zahlen müssen, sollten gänzlich abgeschafft werden. Wichtiger noch wäre eine weitergehende Maßnahme: Die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern findet in Schulen und in Kindertageseinrichtungen statt, also wie die vieler anderer Auszubildender dual – wenn auch zeitlich anders gestaffelt. Ein Weg, die Zahl neu ausgebildeter Erzieherinnen und Erzieher zu erhöhen, wäre, ihnen während ihrer Ausbildung – wie im dualen Ausbildungssystem üblich – eine Ausbildungsvergütung zu zahlen. Verbunden mit einer angemessenen Anhebung der Gehälter später im Beruf.

Auch in den Schulen, insbesondere in den Grundschulen, liegt eine Bedarfsdeckung durch ausgebildete Lehrkräfte in weiter Ferne – nicht, weil sich zu wenige Studienberechtigte für den Beruf der Grundschullehrkraft interessieren, sondern weil ihnen der Zugang zu einem entsprechenden Studium verwehrt wird. Noch 2017 versperrten alle deutschen Hochschulen, die ein Studium für das Lehramt an Grundschulen anboten, durch einen Numerus clausus Tausenden den Weg zum Beruf der Grundschullehrerin bzw. des Grundschullehrers. Die Folgen des so hervorgerufenen Fachkräftemangels lassen sich nicht kurzfristig ausbügeln. Dies wird viel Zeit brauchen. Und Geld, denn dafür ist deutlich mehr Personal an den Hochschulen nötig.

Ein Tarifkampf für eine bedarfsgerechte Ausstattung der Bildungseinrichtungen, eine gesteigerte Attraktivität der Arbeit in ihnen und mehr Gerechtigkeit bei der Bezahlung dieser Arbeit ist ein guter Tarifkampf.

Allerdings gilt auch: Gebührenfreiheit und Ausbildungsvergütung bei der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie eine bedarfsgerechte Erhöhung der Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen allein bieten noch keine Garantie dafür, dass die freien Arbeitsplätze in Kitas und Schulen wenigstens Mitte der 2020er-Jahre besetzt werden können. Dafür muss auch die Attraktivität der Arbeit in den Einrichtungen gesteigert werden. Gehaltserhöhungen leisten hier einen Beitrag, doch auch die Arbeitsbedingungen müssen besser werden: in den Kitas durch verbesserte Betreuungsrelationen, in den Schulen dadurch, dass Lehrkräfte mehr Zeit für Unterricht und Schulentwicklung bekommen. Zeit, die sie zur Verfügung hätten, wenn sie bei administrativen und organisatorischen Aufgaben durch dafür ausgebildetes Personal entlastet würden.

Und nicht zuletzt: Nicht nur eine bedarfsgerechte Ausbildung und eine Attraktivitätssteigerung der Berufe in unseren Bildungseinrichtungen sind unverzichtbar für die Zukunft von Bildung in Deutschland, sondern auch das Schließen einer Gerechtigkeitslücke: Spätestens seit die Studienzeiten aller Lehramtsstudiengänge angepasst wurden, gibt es kein Argument mehr, einem Teil der Lehrkräfte die höchste Unterrichtsverpflichtung aufzubürden, gleichzeitig aber mit der Verweigerung einer Einstiegsbesoldung nach A13 das niedrigste Gehalt zu bieten. Genauso wenig kann die riesige Einkommenslücke, die zwischen Abertausenden angestellter Lehrkräfte und ihren beamteten Kolleginnen und Kollegen klafft, hingenommen werden.

Ein Tarifkampf für eine bedarfsgerechte Ausstattung der Bildungseinrichtungen, eine gesteigerte Attraktivität der Arbeit in ihnen und mehr Gerechtigkeit bei der Bezahlung dieser Arbeit ist ein guter Tarifkampf.

Bildungsforscher Klaus Klemm