Schule
Auf dem Weg zur Schule der Zukunft
Auf drei Regionalkonferenzen der GEW zur Zukunft der Schule 2022 und 2023 folgte Mitte Juni die Abschlusskonferenz in Dresden. Das Ziel: schulpolitische Positionen der Bildungsgewerkschaft zu aktualisieren und weiterzuentwickeln.
Seit Herbst 2022 debattierten mehr als 230 Expertinnen und Experten für Schule in der GEW – aus Landesverbänden und vom Hauptvorstand, aus Fachgruppen und Ausschüssen. In der sächsischen Landeshauptstadt fand das zweitägige Finale statt. Mehr als 110 Teilnehmende trafen sich zur GEW-Bundeskonferenz zur Weiterentwicklung der schulpolitischen Positionen, das Motto: „Perspektiven verbinden – Ziele klären – Wege ebnen“. Das Ziel des beim Gewerkschaftstag 2022 von den Landesverbänden Bremen und Hamburg – unter anderen von dem heutigen Vorstandsmitglied Schule, Anja-Bensinger-Stolze – angeregten Prozesses: zum Gewerkschaftstag 2025 ein beschlussfähiges Papier mit aktualisierten Positionen zur Schulpolitik vorzulegen.
„Im Osten empfindet man es bis heute als seltsam, wenn uns längeres gemeinsames Lernen als neue Idee verkauft werden soll“. (Burkhard Naumann)
Der aktuell gültige Beschluss – Titel: „Bildung braucht Zukunft“ – stammt aus dem Jahr 2001. „Seither hat sich die Bildungs- wie Schulwelt doch massiv verändert“, erklärte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Einige Stichworte: die Digitalisierung, der Fachkräftemangel, die Umsetzung der Inklusion, der Trend zu kompetenzorientierten Lehrplänen. Die damalige GEW-Vorständin für Schule, Marianne Demmer, blickte in Dresden zurück, wie die Positionen 2001 zustande kamen: in Folge der Vereinigung, die das Ost-Schulsystem, in dem Schülerinnen und Schüler bis in höhere Klassen gemeinsam lernten, mit dem segregierten System der Bundesrepublik zusammenführte. Demmer erinnerte daran, welche ideologischen Grabenkämpfe damals „westdeutsche Konservative“ um die Gesamtschule führten. „Und dann zeigte der internationale PISA-Vergleich wenige Monate nach der Verabschiedung der GEW-Positionen: Wir haben recht“, so Demmer. Burkhard Naumann, Landesvorsitzender der GEW Sachsen, sagte zum Auftakt, im Osten empfinde man es bis heute als seltsam, wenn uns „längeres gemeinsames Lernen als neue Idee verkauft werden soll“.
Diskussion über den Weg zu „Eine Schule für alle“
In fünf Workshops ging es dann in die Debatte. Am intensivsten gerungen wurde dabei wohl im Forum „Eine Schule für alle: Aufbruch statt Schulfrieden!“ Während über das Ziel einer „Schule für alle“ Einigkeit bestand, gab es über den Weg dorthin kontroverse Positionen. Während die einen die bestehenden Schulformen gern alsbald auflösen wollen und auch die Zweigliedrigkeit als Zwischenschritt ablehnen, geht anderen das zu schnell. Ihr zentrales Argument: Auch unter Lehrkräften sei das Modell umstritten, nicht zuletzt weil viele sich mit ihrer jeweiligen Schulform identifizieren. Nach zwei Stunden wurden drei zentrale gemeinsame Punkte notiert: Der „Containerbegriff Schule für alle“ benötige eine Definition – selbst wenn zu den schulpolitischen Positionen noch ein Anhang geschrieben werden müsse. Die Kolleginnen und Kollegen sollten „mitgenommen“ und die Schule für alle „gemeinsam entwickelt werden“.
„Alle Kinder und Jugendlichen haben das Recht, einen bestimmten Bildungsstand zu erreichen.“ (Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung)
Zu zwei Foren hatte die Bildungssoziologin Jutta Allmendinger zu Beginn Akzente gesetzt: zu der Frage, was Kinder und Jugendliche lernen sollten, und zum Thema Demokratie und Schule. Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung zog eine eher düstere Bilanz: Statt des Rechts auf Bildung konstatierte sie Bildungsarmut – mit steigender Tendenz: Die Zahl der jungen Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss sei so hoch wie nie. Allmendingers zentrale Forderung: „Wie über ein Mindesteinkommen müssen wir über Mindestbildung sprechen. Alle Kinder und Jugendlichen haben das Recht, einen bestimmten Bildungsstand zu erreichen.“ Das Forum „Schule der Zukunft“ schloss sich dem an: „Wir müssen uns zu Mindestbildungsstandards sprechfähiger machen“, erklärte die Referentin Schule im GEW-Hauptvorstand, Martina Schmerr.
Demokratie muss gelebt werden
Einen zweiten Akzent setzte Allmendinger zur Demokratiebildung: „In Schulen wird Demokratie weder gelebt noch geschult“, erklärte sie und zog einen Bogen zur gesellschaftlichen Entwicklung: „Viele, mit denen ich spreche, können nicht sagen, was Demokratie ist – oder beschreiben sie mit Attributen, die ich nicht verwenden würde. Es fehlt eine gemeinsame Achse.“
Dazu passend wurde in einem Forum intensiv darüber diskutiert, dass man Demokratie nur lehren könne, wenn diese gelebt werde – von den Beschäftigten sowie den Schülerinnen und Schülern. Zentraler Punkt sei, dass die Kinder und Jugendlichen nicht nur „Teilhabe“, sondern „Selbstwirksamkeit“ erfahren sollten. Die Gleichwertigkeit aller Kinder sei ein Menschenrecht.
Nach der Sommerpause sollen die gesammelten Erkenntnisse in ein Gesamtpapier „Schulpolitische Positionen“ einfließen, über das der Gewerkschaftstag 2025 abstimmt. Bensinger-Stolze ist optimistisch: „Vor drei Jahren war ich nicht sicher, ob es gelingt, bis 2025 zu einer Vorlage zu kommen. Doch inzwischen glaube ich: Das wird etwas!“