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Bericht der Antidiskriminierungsstelle

Auch Deutschland hat ein Problem mit Rassismus

Weltweit protestieren Menschen gegen rassistische Gewalt und Diskriminierung. Auch hierzulande wächst die Zahl der gemeldeten Rassismus-Fälle, wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes berichtet. Sie fordert mehr Rechte und Schutz für Betroffene.

Foto: pixabay.com / CC0

Die Zahl der bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) gemeldeten Diskriminierungsfälle ist erneut gestiegen. Das gilt insbesondere für rassistische Diskriminierung, wie aus dem Jahresbericht 2019 hervorgeht, den die ADS am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.

Jeder dritte Fall betrifft rassistische Diskriminierung 

Demnach stieg der Anteil von Beratungsanfragen zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft bzw. rassistischen Zuschreibungen im Vergleich zum Vorjahr um knapp zehn Prozent auf 1176 Fälle. Das entspricht einem Drittel aller eingegangenen Anfragen. Insgesamt hat die ADS im vergangenen Jahr in 3580 Fällen rechtliche Auskunft erteilt, Stellungnahmen eingeholt oder gütliche Einigungen vermittelt. Somit ist auch die Gesamtzahl der Beratungsanfragen zu den im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Diskriminierungsmerkmalen gegenüber dem Vorjahr gestiegen (2018: 3455 Fälle).

Weitere Daten und Fakten

Am zweithäufigsten erteilte die ADS in Fällen von Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts rechtliche Auskunft (29 Prozent). Ein Viertel aller Beschwerden bezog sich auf Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung (26 Prozent). Es folgen Diskriminierungen aufgrund des Lebensalters (12 Prozent), der Religion (7 Prozent), der sexuellen Identität (4 Prozent) und der Weltanschauung (2 Prozent). 

Der größte Anteil der berichteten Diskriminierungen 2019 bezog sich auf Benachteiligungen in der Arbeitswelt (36 Prozent). Bei 26 Prozent ging es um Diskriminierung im Alltag, vor allem bei der Wohnungssuche, aber auch beim Einkauf, in der Gastronomie oder bei Versicherungs- und Bankgeschäften. Darüber hinaus gingen zahlreiche Anfragen zu Lebensbereichen ein, in denen das AGG nicht greift; dazu zählen auch öffentliche Schulen, Polizei, Justiz und Behörden.

„Deutschland hat ein anhaltendes Problem mit rassistischer Diskriminierung und unterstützt Betroffene nicht konsequent genug bei der Rechtsdurchsetzung.“ (Bernhard Franke)

Seit 2015 hat sich die Anzahl der Menschen, die sich aufgrund rassistischer Benachteiligungen an die ADS wenden, mehr als verdoppelt. Die Zahlen und Erfahrungen dokumentieren die Zunahme von Hass und Vorurteilen in Deutschland. Das Beratungsaufkommen werfe jedoch nur ein Schlaglicht auf die Gesamtsituation, machte Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der ADS, bei der Vorstellung des Berichts in Berlin deutlich. Denn nur ein Bruchteil von Diskriminierungsfällen werde gemeldet. „Deutschland hat ein anhaltendes Problem mit rassistischer Diskriminierung und unterstützt Betroffene nicht konsequent genug bei der Rechtsdurchsetzung“, sagte Franke und erläuterte: „Menschen kennen oft ihre Rechte nicht und haben nicht die Kraft, sich weiter mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen.“ Gleichzeitig habe das Gefühl, mit einer Ungerechtigkeit alleine gelassen zu werden, auf Dauer fatale Folgen und gefährde den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

„Diskriminierung zermürbt“, warnte Franke. Mit Blick auf die rassistischen Gewalttaten von Halle und Hanau konstatierte er: „Wir werden gegen rassistischen Hass in seiner extremsten Form nicht erfolgreich vorgehen können, wenn wir die Diskriminierung im Alltag als nachrangig behandeln.“ In diesem Zusammenhang sprach er auch von einem „Grundrauschen der Ausgrenzung“, das sich im Zuge der Corona-Pandemie verstärke. Die Verbesserung des Diskriminierungsschutzes dürfe „auch und gerade in der Krise nicht auf bessere Zeiten vertagt werden“, sagte der ADS-Sprecher bei der Präsentation zentraler Forderungen nach einer Reform des AGG und einem konsequenteren Vorgehen gegen Diskriminierung durch die Länder.

Antidiskriminierungsgesetze und -stellen in allen Bundesländern notwendig

Während eine AGG-Reform dringend mit auf die Tagesordnung des kürzlich eingerichteten Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus gehöre, seien die Länder gefragt, den Schutz vor Diskriminierung insbesondere im Hinblick auf staatliches Handeln zu verbessern und mit klaren Rechtsfolgen zu versehen. Die ADS bewertete demzufolge das jüngst in Berlin beschlossene Landesantidiskriminierungsgesetz als „einen wichtigen Schritt, der Betroffenen unter anderem auch bei der Diskriminierung durch Polizeibeamte und im Bildungsbereich Beschwerdewege und Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche eröffnet“. 

Ebenso erforderlich sei die Einrichtung von Antidiskriminierungsstellen in allen Bundesländern; bislang sei dies erst in acht Ländern geschehen. In diesem Zusammenhang verwies die ADS erneut auf den im Frühjahr vorgelegten Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) über Deutschland. In diesem hatte das Gremium des Europarats Deutschland zahlreiche Mängel im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung attestiert und Empfehlungen – unter anderem in punkto Diskriminierungsschutz und inklusiver Bildung – ausgesprochen.

GEW unterstützt entsprechende Maßnahmen im Bildungsbereich

Die GEW unterstützt die geforderten Maßnahmen und setzt sich dafür ein, Schutzlücken des AGG im Bildungsbereich zu schließen. Von den Landesregierungen fordert die GEW nicht nur entsprechende Antidiskriminierungsgesetze und -stellen sowie rechtliche Anpassungen zum Schutz vor Diskriminierung in allen Bildungsbereichen, sondern ebenso den Ausbau regionaler, unabhängiger und niedrigschwellig zugänglicher Informations- und Beschwerdestellen für Betroffene.

Zugleich macht sich die Bildungsgewerkschaft im Sinne der ECRI-Empfehlungen für Konzepte und Projekte zur Prävention von Diskriminierung und Rassismus sowie für menschenrechtsorientierte und diversitätsbewusste Ansätze in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften stark.