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Tarifrunde TV-L 2021

Arbeitgeber-Blockade provoziert weitere Warnstreiks

Die stockenden TV-L-Verhandlungen treiben die empörten Beschäftigten weiter auf die Straße: In Hamburg, Bremen, Wuppertal, Duisburg, Düsseldorf, Essen und Erfurt gab es in den vergangenen Tagen Warnstreiks.

In Hamburg legten am Donnerstag rund 1.000 Beschäftigte die Arbeit nieder und marschierten in einem Demonstrationszug über St. Pauli zur Abschlusskundgebung am Gänsemarkt. Dort machten viele Kolleginnen und Kollegen ihrem Unmut über die ablehnende Arbeitgeberhaltung Luft.

„Dabei sind wir bis an unsere Kraftgrenzen gegangen – und darüber hinaus!“ (Kerstin Mögle)

„In der Pandemie – die nun schon seit fast zwei Jahren anhält – waren auch wir ‚systemrelevant‘. Jeden Tag haben wir nicht nur den Kontakt zu den Kindern zu Hause aufrechterhalten, sondern auch Arbeitsmaterialien erstellt und online-Unterricht veranstaltet, Padlets gestaltet und Materialpäckchen an die Haustüren der Kinder gebracht. Außerdem haben wir in der Schule die Kinder unterrichtet, die nicht zu Hause bleiben konnten. Dabei sind wir bis an unsere Kraftgrenzen gegangen – und darüber hinaus!“, sagte Kerstin Mögle, Vorschullehrkraft an einer Hamburger Schule.

„Um den Schülerinnen und Schülern weiterhin gerecht werden zu können, benötigen wir neben einer gerechten Bezahlung auch neue Kolleginnen und Kollegen. Diese bei dieser Bezahlung zu finden, ist seit geraumer Zeit schwierig“, sagte Ergotherapeutin Marit Heindl.

Kundgebung vor Bremer Finanzbehörde

Auch in Bremen demonstrierten angestellte Lehrkräfte, Schulsozialpädagoginnen und -pädagogen, Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Schulbeschäftigte. Abschließend gab es eine Kundgebung mit rund 400 Teilnehmenden vor der Finanzbehörde. In Bremerhaven streikten weitere 70 Beschäftigte.

„Die angestellten Kolleginnen und Kollegen an Schulen sind verlässlich an der Seite der Schülerinnen und Schüler, vor Corona und mit Corona. Sie sichern die verlässliche Grundschule, den Ganztag und die Begleitung herausragender Schüler*innen“, sagt GEW Landessprecherin Barbara Schüll, „Doch die Wertschätzung ihrer systemrelevanten Arbeit durch eine angemessene Lohnerhöhung muss leider mit massiven Streikaktivitäten erkämpft werden“.

„Viel wichtiger ist eine Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe mit Qualifizierungsangeboten und Aufstiegsmöglichkeiten.“ (Barbara Schüll)

Für viele blieben von den geforderten 5 Prozent netto rund 50 Euro nach Abzügen,erklärte Schüll. „Viel wichtiger ist eine Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe mit Qualifizierungsangeboten und Aufstiegsmöglichkeiten.“ Darüber hinaus müssen die Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz Schule verbessert werden. Das Arbeitspensum dort habe sich durch Fachkräftemangel, zusätzliche Arbeits- und Dokumentationspflichten und soziale Veränderungen massiv verdichtet. Daher seien zeitnah Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Beschäftigten nötig.

In der Tarifrunde öffentlicher Dienst der Länder fordern die Gewerkschaften 5 Prozent, mindestens jedoch 150 Euro mehr Gehalt für die Beschäftigten. Dazu zählen bei der GEW vor allem die angestellten Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen in Deutschland, aber auch die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst sowie an den Hochschulen.

Außerdem soll es 100 Euro monatlich mehr für alle in Ausbildung geben. Die GEW setzt sich weiter für die vollständige Paralleltabelle ein, die eine bessere Eingruppierung für viele angestellte Lehrerinnen und Lehrer unterhalb der Entgeltgruppe 13 und damit mehr Gehalt bringen würde. Zudem fordert die GEW, dass Verhandlungen für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte aufgenommen werden.

Die TV-L Tarifrunde 2021 gilt als eine der schwierigsten der vergangenen 20 Jahre. Die öffentlichen Arbeitgeber geben sich bisher wenig verhandlungsbereit und verweisen unter anderem auf die Kosten der Coronapandemie. Die Gewerkschaften betonen die hohen Belastungen der Beschäftigten in dieser Zeit und wollen einen fairen Ausgleich.

Drei Verhandlungsrunden

Die erste Verhandlungsrunde zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften findet am 8. Oktober in Berlin statt, die zweite und dritte Runde sind für den 1./2. November und den 27./28. November jeweils in Potsdam geplant.

Die Forderung der Gewerkschaften bezieht sich auf eine Laufzeit des Tarifvertrags von einem Jahr.

In der Tarifrunde 2021 für den öffentlichen Dienst der Länder geht es um Gehaltserhöhungen für rund zwei Millionen Beschäftigte. Ver.di hat gegenüber der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) die Verhandlungsführerschaft für die DGB-Gewerkschaften GEW, GdP und IG BAU sowie die dbb tarifunion.

Vierter Streiktag in NRW

Am vierten Warnstreiktag in Nordrhein-Westfalen hatte die GEW erneut rund 650 Kolleginnen und Kollegen mobilisiert.In Wuppertal legten Hochschulbeschäftigte, studentische Beschäftigte und wissenschaftliche Hilfskräfte die Arbeit nieder. „Beschäftigte an Hochschulen hangeln sich von Zeitvertrag zu Zeitvertrag mit immer kürzeren Zeitverträgen und immer größeren Belastungen“, kritisierte Daniel Merbitz, Verhandlungsführer für die GEW und Vorstandsmitglied. „Sie haben in kurzer Zeit Konzepte für Online-Lehre entwickelt und setzen jetzt ein Präsenzsemester unter Pandemiebedingungen um. Aber die Arbeitgeber bieten nichts – keine Dauerstellen für Daueraufgaben, keine 5 Prozent mehr, keine Anerkennung. Auch beim Tarifvertrag für studentische Beschäftigte wollen sie nicht einmal mit sich reden lassen.“

„Wir brauchen echte Verbesserungen und Anerkennung für den Wahnsinnsjob in der Pandemie.“ (Ute Lorenz)

Beim Warnstreik an der Green Gesamtschule in Duisburg erklärte Ute Lorenz, Expertin für öffentliches Dienstrecht und Mitbestimmung der GEW NRW, das Nein der Arbeitgeber in den bisherigen Verhandlungsrunden sei ein Nein zu Anerkennung und Wertschätzung. „So wird der öffentliche Dienst nicht attraktiv, so geht man nicht mit Beschäftigten um. Nur in Sonntagsreden den Lehrkräften zu danken, kann nicht alles gewesen sein. Wir brauchen echte Verbesserungen und Anerkennung für den Wahnsinnsjob in der Pandemie. Deshalb sind 5 Prozent mehr, mindestens 150 Euro, notwendig und absolut angemessen.“

Protestaktionen gab es auch in Düsseldorf und Essen. In Erfurt hatten sich bereits am Mittwoch rund 60 Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sowie Sonderpädagoginnen und -pädagogen vor der Staatskanzlei versammelt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Bisher kein Arbeitgeberangebot

Die Gewerkschaften verhandeln seit dem 8. Oktober mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL). Sie fordern die Erhöhung der Tabellenentgelte um 5 Prozent, mindestens aber um 150 Euro bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Am 27. und 28. November 2021 werden die Verhandlungen fortgesetzt. 

In den bisherigen zwei Verhandlungsrunden legten die Arbeitgeber kein Angebot vor. Stattdessen wiesen sie alle Forderungen der Beschäftigten zurück.

Bei der Tarifrunde geht es um rund 1,2 Millionen Beschäftigte. Die GEW vertritt Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Pädagoginnen und Pädagogen, die im Schuldienst, im Sozial- und Erziehungsdienst oder in anderen Bereichen der Länder arbeiten. Allein im Schuldienst geht es um mehr als 200.000 Beschäftigte.