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Anerkennung überfällig!

Die Rahmenbedingungen in den Kita-Einrichtungen in Deutschland müssen besser werden, um den Kindern von Anfang an faire Startchancen zu ermöglichen. Doch von einer politischen Neuorientierung kann kaum die Rede sein, kritisiert Prof. Wassilios E. Fthenakis, Präsident des Didacta Verbandes. Andere Länder haben längst begonnen, die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher zu reformieren. Doch Deutschland hinkt hinterher.

Erzieherin in der Kita: Qualifizierte Arbeit ist unverzichtbar. (Foto: GEW)

Die Frühpädagogik erlebt seit 20 Jahren eine Renaissance. Wissenschaftliche Erkenntnisse aus unterschiedlichen Disziplinen, aus Entwicklungspsychologie und Neurowissenschaften etwa, haben dazu beigetragen, ihre Bedeutung und ihren Stellenwert im Bildungssystem neu zu bewerten: Sie gilt als Fundament für gelingende individuelle Bildungsbiografien. Auch die Neuorientierung reformierter Bildungssysteme zielt darauf ab, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern vor allem die kindliche Entwicklung von Anfang an in den Blick zu nehmen. Das hat weltweit endgültig die frühe Bildung auf die politische Agenda gesetzt. Bildungspläne wurden als politische Instrumente entwickelt, die neue und erweiterte Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte richten. Denn mit neuen didaktischen Konzepten, mit dem Anspruch, sich an Lernorten zu orientieren, hat sich das frühpädagogische Feld grundlegend verändert. Und damit die Rolle und die Verantwortung der Fachkräfte und Kita-Leitungen.

Während andere Länder längst begonnen haben, auch die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher zu reformieren, ist diese in Deutschland nach wie vor der vergessene Klient einer jeden Bildungsreform, seit den 1970er-Jahren.

Auch der vorgelegte "Länderübergreifende Ausbildungsplan ErzieherInnen" bleibt weit hinter den gesellschaftlichen Erwartungen zurück. Er wird wohl die erhoffte Wirkung verfehlen. Die bundesweite "AQUA-Studie"* hat jüngst ihre Ergebnisse präsentiert und die defizitären ­Arbeitsbedingungen aufgedeckt, unter denen Fachkräfte heute gute Bildung für die Jüngsten organisieren sollen. Das föderale Verständnis von Bildung, das neue Ungleichheit in Bildungsverläufen manifestiert, sowie eine mangelnde Kooperation zwischen Bund und Ländern im Bildungswesen verschärfen zusätzlich die Lage der Kita-Beschäftigten. Die erhofften pädagogischen Ziele bleiben so einer unsicheren Zukunft überlassen. Was überrascht, ist die fehlende gesellschaftliche Sensibilität dafür, wie wichtig frühkindliche Bildung für die Zukunft der Gesellschaft ist. Generell mangelt es an Interesse an dem, was den Kleinsten an Bildung und Betreuung angeboten wird.

Die Forschung hat wiederholt bestätigt: Mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung ist eng verbunden mit dem Ausbildungsniveau der Fachkräfte und den Rahmenbedingungen ihrer Arbeit. Wenn man die Entwicklungen auf der europäischen und internationalen Ebene zur Kenntnis nimmt, kann man mit der Situation in Deutschland nicht einfach nur unzufrieden sein. Vielmehr ist Protest angebracht, dass das Land diese Herausforderung bislang so "politisch inkorrekt" behandelt. Zahlreiche Studien befassen sich seit 25 Jahren mit der pädagogischen Qualität der Kita-Einrichtungen und zeigen eindrucksvoll, dass man die Rahmenbedingungen verbessern muss, um gute Bildung zu erreichen und zu sichern. Es zeugt von erstaunlicher Zurückhaltung, dass Politik nicht den Mut und die Bereitschaft aufbringt, ein Bundeskitaqualitätsgesetz auf den Weg zu bringen. Dieses könnte dazu beitragen, die in Deutschland stark ausgeprägte Ungleichheit in der Bildung abzumildern, um allen Kindern in allen Bundesländern faire Startchancen zu ermöglichen (s. S. 18). Offensichtlich fehlt jedoch dafür in Politik und Gesellschaft jegliche Einsicht. Die Anerkennung des großen fachlichen und gesellschaftlichen Beitrags, den Erzieherinnen und Erzieher leisten, ist überfällig. Dafür sollten sich alle gesellschaftlichen Kräfte vereint, unbeirrt, unerschrocken und mit anhaltender Intensität einsetzen.

*AQUA - Qualität der Arbeitsverhältnisse und Arbeits­bedingungen frühpädagogischer Fachkräfte in Deutschland (weitere Infos siehe Servicebox rechts oben)