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Disziplinarrecht

Aktiv gegen Rechts – aber verfassungskonform!

Die GEW kritisiert die geplante Reform des Bundesdisziplinargesetzes. Das grundsätzliche Anliegen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, konsequenter gegen Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst vorzugehen, wird gleichwohl begrüßt.

Foto: Pixabay / CC0

Wer sich gegen die Verfassung stellt, hat laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser keinen Platz im öffentlichen Dienst. Bislang sei zu langsam und zögerlich reagiert worden, insbesondere die erforderliche Bekämpfung von extremen Rechten betreffend, erklärte die SPD-Politikerin im letzten Jahr mehrfach. Die Ampelparteien hatten bereits im Koalitionsvertrag 2021 verlautbart, sogenannte Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst entfernen zu wollen, um „die Integrität des Öffentlichen Dienstes sicherzustellen“.

Reformpläne stoßen auf Kritik

Mit der Vorstellung eines 10-Punkte-Aktionsplans gegen Rechtsextremismus im März 2022 kündigte Faeser unter anderem Änderungen des Bundesdisziplinargesetzes an. Zum Ende des Jahres legte das Bundesinnenministerium einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Beschleunigung der Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ vor.

Die Gewerkschaften im DGB haben hierzu kritisch Stellung bezogen. Sie fordern eine Professionalisierung des Disziplinarverfahrens, lehnen die geplante Abschaffung der Disziplinarklage und deren Ersetzung durch die Disziplinarverfügung allerdings ab.

„Verstöße gegen das Grundgesetz – wie z.B. rassistische oder antisemitische Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt – müssen in jedem Fall konsequenter geächtet sowie disziplinar- und strafrechtlich verfolgt werden.“ (Maike Finnern)

Das grundsätzliche Anliegen der Bundesinnenministerin, Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst konsequenter zu bekämpfen, wird unterstützt. „Dies ist nicht zuletzt angesichts der Bedrohungslage durch rechte Netzwerke in Sicherheitsbehörden, aber auch aufgrund rechtsradikaler Umtriebe in Justiz und Verwaltung sowie an Schulen und Hochschulen nachvollziehbar und zu begrüßen“, sagte GEW-Vorsitzende Maike Finnern mit Blick auf Entwicklungen und Ereignisse in den vergangenen Jahren.

„Verstöße gegen das Grundgesetz – wie z.B. rassistische oder antisemitische Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt – müssen in jedem Fall konsequenter geächtet sowie disziplinar- und strafrechtlich verfolgt werden“, machte die GEW-Chefin deutlich. Es verwundere schon, wie lange sich manche Personen im Staatsdienst „verfassungsfeindlich“ äußern könnten, bis etwas passiere. „Es ist höchste Zeit zu handeln – allerdings nicht durch Verfahren und Maßnahmen, die zutiefst undemokratisch sind und rechtsstaatliche Prinzipien aushöhlen.“

GEW warnt vor Misstrauensklima

Die geplante Änderung des Bundesdisziplinargesetzes sieht vor, Beamt*innen durch Verwaltungsakt der Dienstvorgesetzten zu entfernen. Die Neuregelung würde unmittelbar nur für die Beamt*innen des Bundes gelten, wird aber in den Ländern aufmerksam beobachtet und dürfte dort auch Nachahmung finden. Finnern betonte daher: „Eine Reform des Bundesdisziplinargesetzes, die vorsieht, Beamt*innen durch Verwaltungsakt der Dienstvorgesetzten zu entfernen, ist nicht nur verfassungsrechtlich höchst fragwürdig, sondern würde einem generellen Misstrauensklima Vorschub leisten und der Demokratie nachhaltig schaden.“

Eine solche Regelung könne im Zweifel auch gegen Kolleg*innen eingesetzt werden, die sich gegen menschen- und demokratiefeindliche Ideologien und Tendenzen engagieren. Die GEW-Vorsitzende erinnerte in diesem Zusammenhang an politische und juristische Fehlentscheidungen im Zuge des sogenannten Radikalenerlasses von 1972.

Durch diesen wurden letztlich zahlreiche linke Lehrkräfte als Verfassungsfeinde eingestuft und erhielten Berufsverbote. „Dies hat sowohl Berufs- und Lebensperspektiven vieler Kolleg*innen als auch das Vertrauen in die Demokratie sowie in den Rechtsstaat massiv beschädigt.“

„Beamte können sich nur schützend vor die Verfassung stellen und sich gegen politische Willkür wehren, wenn sie nicht die sofortige Entfernung aus dem Beamtenverhältnis fürchten müssen.“ (Daniel Merbitz)

Auch das für Beamtenpolitik zuständige GEW-Vorstandsmitglied Daniel Merbitz äußerte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Neuregelung: „Dass Beamte nur durch Gerichtsbeschluss aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden können, gehört zu den praktizierten Sicherungen gegen die Willkür des Dienstherrn. Beamte können sich nur schützend vor die Verfassung stellen und sich gegen politische Willkür wehren, wenn sie nicht die sofortige Entfernung aus dem Beamtenverhältnis fürchten müssen. Die Abschaffung der Disziplinarklage widerspricht damit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz.“

In der Tat sei es unerträglich, wenn sich Disziplinarverfahren zu lange hinzögen und extreme Rechte teils über Jahre vom Staat alimentiert würden, betonte Merbitz. Der DGB habe daher eigene Vorschläge vorgelegt, wie sich Disziplinarverfahren beschleunigen lassen, ohne rechtsstaatliche Grundsätze zu schleifen.

Mehr politische Bildung zur Ursachenbekämpfung

Zudem fordert der DGB eine stärkere Verankerung politisch-historischer Bildungsthemen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, damit diese „populistischen, rassistischen und extremistischen Einflüssen gegenüber resilient“ seien. Dienstherren müssten auch Bildungsurlaub sowie Sonderurlaub für Fortbildungen leichter zugänglich machen. Statt sich also nur auf die Folgenbeseitigung zu konzentrieren, sollte der Gesetzgeber die Ursachen stärker in den Blick nehmen und diesen entgegenwirken.

Die GEW fordert angesichts der Zunahme rassistischer, antisemitischer und rechtsextremer Tendenzen in der Gesellschaft sowie der Verbreitung von Verschwörungserzählungen grundsätzlich, Demokratieerziehung, politische Bildung und Erinnerungskultur zu stärken.

Der DGB fordert in seiner Stellungnahme folgende Punkte:

  • Professionalisierung des behördlichen Disziplinarverfahrens: Die für Disziplinarverfahren verantwortlichen Kräfte müssen besser geschult und ausgebildet werden. Dienstvorgesetzte müssen die oder den Ermittlungsführer*in von ihren Regelaufgaben zur Durchführung des behördlichen Disziplinarverfahrens im erforderlichen Umfang freistellen.
  • Regelbeendigungsdauer für das behördliche Disziplinarverfahren: Nach spätestens drei Monaten muss der*die Dienstvorgesetzte ein gerichtliches Verfahren einleiten. Nur in besonders komplexen Fällen kann er beim Verwaltungsgericht eine Verlängerung der Frist beantragen.
  • Personelle Stärkung der Disziplinarkammern bei den Verwaltungsgerichten: Die Verwaltungsgerichte sind seit Jahren chronisch überlastet. Hier ist nicht nur der Bund in der Pflicht, sondern auch die Länder sind es.
  • Vorrangregelung für Bestandsschutzsachen: Analog zum Arbeitsrecht (§ 61a Abs. 1 und § 64 Abs. 8 ArbGG) müssen existenzielle Entscheidungen wie das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Dienstverhältnisses auch bei Beamt*innen von den zuständigen Verwaltungsgerichten vorrangig bearbeitet werden.
  • Beteiligung betroffener Dritter: Disziplinarverfahren betreffen oft nicht nur das Verhältnis des Beamten zum Dienstherrn, sondern auch Dritte (z.B. Fälle der sexuellen Belästigung oder Diskriminierung). Hier könnte die Beteiligung der in ihren Rechten verletzten Person – unter Wahrung der Vertraulichkeit – zu schnelleren und zielgerichteten Disziplinarverfahren führen.

Näheres siehe Stellungnahme des DGB zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung.