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Nachhaltiges Lernen

Add-on Nachhaltigkeit

Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) soll spätestens 2030 in allen Bildungsbereichen strukturell verankert sein. Ob das Ziel erreicht werden kann, ist allerdings fraglich.

In sechs Jahren sollen alle Menschen zu einer nach-haltigen Zukunft beitragen können. Bund wie Länder haben sich verpflichtet, dieses Ziel der Vereinten -Nationen zu erreichen. Wie das gehen soll, hält ein Papier der Nationalen BNE-Plattform von 2017 in 130 Zielen und 349 Handlungsempfehlungen fest. „In allen Bereichen des deutschen Bildungswesens“ sei BNE „strukturell zu verankern“, heißt es im Vorwort des Bundesbildungsministeriums.

Doch bei der Umsetzung hakt es gewaltig. Das Nationale BNE-Monitoring moniert, immer noch werde Bildung für Nachhaltige Entwicklung als „Add-on“ behandelt, als zusätzliches Ziel, dessen Integration von „geringer Qualität“ sei und das „oft einfach ergänzt“ werde. So steht es in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift „Sustainable Development“ vom Januar dieses Jahres.

„Eine Strategie hat nur dann einen Effekt, wenn sie als relevant wahrgenommen wird. Insofern wäre eine regelmäßige Aktualisierung schon gut.“ (Jorrit Holst)

Seit 2015 begleitet das Team am Institut Futur der Freien Universität Berlin die Umsetzung von BNE in allen Bildungsbereichen. Zuletzt überprüften die Forscherinnen und Forscher 2022/23 rund 11.000 Dokumente darauf, welchen Niederschlag BNE etwa in Koalitionsverträgen und Nachhaltigkeitsstrategien, Schul- und Weiterbildungsgesetzen, Bildungsplänen, Curricula und Prüfungsaufgaben, Gemeindeordnungen und Stiftungsberichten findet. Das Resultat ist ernüchternd:

Nur vier Bundesländer verweisen in ihren Schulgesetzen explizit auf BNE; erst sieben der 16 Länder haben eine übergreifende BNE-Strategie entwickelt; in dreien ist diese älter als sieben Jahre. „Eine Strategie hat nur dann einen Effekt, wenn sie als relevant wahrgenommen wird. Insofern wäre eine regelmäßige Aktualisierung schon gut“, erklärt Jorrit Holst, einer der Autoren. Vor allem aber fehlt es laut Begleitforschung an konkreten Zeitplänen, Zuständigkeiten und Indikatoren.

Hoher Investitions- und Qualifikationsbedarf

Die Begleitforschung kritisiert zudem eine „nachhaltigkeitsbezogene Qualifizierungslücke“ bei Lehrenden – in allen Bildungsbereichen, die aber besonders folgenreich in der Schule sei. „Schon ein verpflichtendes BNE-Modul in der Lehrkräftebildung wäre ein großer Schritt“, sagt Holst.

Für all das bräuchte es: Investitionen. Elf Milliarden Euro wären allein nötig, damit – schrittweise bis 2035 – jede Lehrkraft mindestens alle zwei Jahre 1,5 Tage fortgebildet werden könnte und die Stunden auf das Deputat angerechnet würden. Das haben die Heidelberger Ökonomen Volker Teichert und Benjamin Held in der von Greenpeace und dem Bündnis ZukunftsBildung in Auftrag gegebenen Studie „Warum spricht niemand über Geld?“ (2023) berechnet. Außerdem müsste in BNE-Koordinatoren investiert werden, die an Schulen als Ansprechpersonen dienen (2,8 Milliarden Euro), sowie in einmalige Projekte an allen Schulen, die diese befähigen, BNE umzusetzen (eine Milliarde Euro).

Zusammen mit weiteren Maßnahmen wie BNE-Stellen in Schulaufsicht und Kultusministerien sowie einer BNE-Strategie für jedes Land wären laut Studie bis 2035 16,3 Milliarden Euro – und damit eine Steigerung der Bildungshaushalte der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen von 3,6 Prozent – nötig.

„Wo Schulen BNE umfassend und dauerhaft angehen, lassen sich positive Effekte messen.“

Auszahlen dürfte sich das: „Wo Schulen BNE umfassend und dauerhaft angehen, lassen sich positive Effekte messen“, erklärt Holst. Das Institut Futur hat das bundesweit bei rund 3.000 Lernenden und Lehrkräften untersucht, die an ihren Bildungseinrichtungen mehr oder weniger über Nachhaltigkeit lernen und diese auch erleben. Das Ergebnis: Schülerinnen und Schüler, die vorbildhafte Nachhaltigkeit in der Schule kennenlernen, gestalten eher auch das eigene Leben dementsprechend.