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GEW-Arbeitszeitkonferenz

Acht Stunden sind kein Tag

Bei der GEW-Arbeitszeitkonferenz in Eisenach haben rund 100 Aktive der Bildungsgewerkschaft niedrigere Arbeitszeiten und mehr Zeitsouveränität gefordert. Die GEW tritt für geregelte freiwillige Arbeitszeitkonten ein.

Foto: mauritius images/STOCK4B-RF

„Acht Stunden sind kein Tag“ – so lautete 1972 eine vom WDR produzierte und von Rainer Werner Fassbinder gedrehte fünfteilige Serie über den Arbeitsalltag von Arbeitern und Angestellten. Der Filmtitel drückte aus, dass das Leben nicht nur aus Arbeit bestehen sollte. Der Achtstundentag ist eine der ältesten Forderungen der Arbeiterbewegung; erst 1919 wurde er in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Vorreiter für eine niedrigere Wochenarbeitszeit war der Industriesektor. So erkämpfte die IG Metall vor 35 Jahren in der westdeutschen Metallindustrie den Einstieg in die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.

In anderen Branchen liegt die wöchentliche Arbeitszeit nach wie vor eher etwas über 40 Stunden. Dies machte Steffen Lehndorff vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen in seinem Vortrag auf der Arbeitszeitkonferenz der GEW Mitte September deutlich. Durch mehr Teilzeitbeschäftigungen und eine gesunkene Tarifbindungsquote sei es zudem zu einem „Flickenteppich“ bei den Arbeitszeitmodellen gekommen, so der Wissenschaftler.

Freiwillige Selbstausbeutung

Der Tarifexperte der GEW, Daniel Merbitz, kritisierte, dass diese Flexibilisierung der Arbeitszeit in den vergangenen drei Jahrzehnten unter neoliberalem Vorzeichen „faktisch mit einer Ausweitung der Arbeitszeiten verbunden“ gewesen sei. So habe die Kündigung des Arbeitszeit-Tarifvertrages West im öffentlichen Dienst der Länder 2003 zu einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit geführt. Im Osten der Republik, so Merbitz, „tönten damals manche Länderchefs, die Arbeitszeiten auf 42 Wochenstunden verlängern zu wollen“. Das Ziel der GEW sei weiterhin, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu reduzieren.

Durch die zunehmende Entgrenzung der Arbeit steige das Risiko freiwilliger Selbstausbeutung, betonte Gesa Bruno-Latocha, Referentin für Tarif- und Beamtenpolitik beim GEW-Hauptvorstand. Erzwungene Teilzeit-Arbeitsverträge – beispielsweise an Hochschulen und in der Wissenschaft oder für sozialpädagogische Fachkräfte – müssten in existenzsichernde Vollzeit-Arbeitsplätze umgewandelt werden, forderte -Bruno-Latocha.

„Wir werden die Arbeitszeitfragen verstärkt zum Thema unserer tarif- und beamtenpolitischen Aktivitäten machen.“  (Daniel Merbitz)

Wie sehr diese Probleme den Beschäftigten unter den Nägeln brennen, machten die Diskussionen in den Arbeitsgruppen deutlich. Für Lehrkräfte wurde eine klare Arbeitsplatzbeschreibung gefordert, in der das Verhältnis zwischen Unterrichtsverpflichtung und der weiteren Arbeitszeit geregelt sei. Hintergrund ist die sogenannte ungebundene, d. h. unterrichtsfreie Arbeitszeit, die der Dienstherr für verbeamtete Lehrkräfte ausdehnen kann und die nicht klar definiert ist. Gefordert wurde, die Unterrichtsverpflichtung abzusenken. Für andere Berufe stehen mehr Urlaubstage sowie flexible Arbeitszeitregelungen auf der Wunschliste, um z. B. mehr Zeit für die Pflege von Angehörigen oder Kindererziehung zu haben.

Die Debatte zeigte, dass Beschäftigte über ihre Arbeitszeit und deren Gestaltung möglichst frei verfügen wollen. Neben der allgemeinen Senkung der Arbeitszeit müsse bei künftigen Diskussionen ein besonderer Fokus auf dem Schlagwort „Zeitsouveränität“ liegen. Es müsse Schluss sein mit informell geführten Arbeitszeitkonten, „Springstunden“, ungeregelten Bereitschaftszeiten und unbezahlter Mehrarbeit. „Die GEW tritt für geregelte freiwillige Arbeitszeitkonten ein, die den Beschäftigten Entscheidungsfreiheit geben – beim Umfang der Mehrarbeit ebenso wie bei der Verwendung der angesparten Zeitguthaben“, stellte Merbitz klar. „Wir werden die Arbeitszeitfragen verstärkt zum Thema unserer tarif- und beamtenpolitischen Aktivitäten machen.“

Solange in Deutschland allerdings das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte gelte, könnten diese nicht mit den Tarifbeschäftigten gemeinsam für eine Veränderung ihrer Arbeitszeit streiken. „Daher brauchen wir das Beamtenstreikrecht, um gemeinsam und mit geballter Kraft in die Auseinandersetzungen der Zukunft zu ziehen. Konfliktfrei wird es nicht gehen“, so Merbitz.