Bis zu 18.000 Absolventen allein des Abiturjahrgangs 2006 haben laut Studie, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) nach eigenen Angaben vorliegt, wegen der neuen Gebühren kein Studium aufgenommen. Dieser Zahl liegen die Befragung von 5.420 repräsentativ ausgewählten Studienberechtigten des Abschlussjahrgangs 2006 sowie die Auswertung regelmäßiger Abiturienten-Untersuchungen des HIS zugrunde.
Nach dpa-Angaben zeigt die Studie, dass die Gebührendebatte unter Abiturientinnen und Abiturienten und jungen Menschen mit Fachhochschulreife zu "erheblicher Verunsicherung" führt - selbst in Bundesländern, die noch keine Gebühren verlangen. Kinder aus Akademikerfamilien ließen sich "deutlich seltener in ihrer Hochschulwahl beeinflussen" als junge Menschen mit bildungsfernem Hintergrund.
Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), forderte die unverzügliche Veröffentlichung der Studie. Sie habe schon vor Wochen eine Unterrichtung durch das Ministerium verlangt. Die Ergebnisse dürften vor dem Bildungsgipfel von Bund und Ländern "nicht vertuscht werden", so Burchardt. Das Thema gehöre auf den Bildungsgipfel am Mittwoch in Dresden.
Seit Einführung der Studiengebühren hat die GEW immer wieder auf den bildungspolitischen Schaden hingewiesen, der dadurch angerichtet wird. Das Bezahlstudium widerspreche der Chancengleichheit beim Hochschulzugang, so die Bildungsgewerkschaft. Sie fordert alle Bundesländer, die auf Studiengebühren setzen, auf, die entsprechenden Gesetze wieder einzukassieren.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert in seinen "Gewerkschaftlichen Anforderungen an den Bildungsgipfel", die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums durch einen bundesweiten gesetzlichen Ausschluss von Studiengebühren durchzusetzen. Der Beschluss des DGB-Bundesvorstands "Mit guter Bildung in die Zukunft" wurde auf der Konferenz "Neue Bildung für das Land - DGB-Kompass zum Gipfel" heute in Berlin vorgestellt.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 2005 dem Bund die Zuständigkeit für ein gesetzliches Gebührenverbot abgesprochen, inzwischen hat sich die Verfassungsrechtslage in Folge der Föderalismusreform von 2006 jedoch geändert - nach Auffassung der Bildungsgewerkschaft GEW zu Gunsten einer Bundeskompetenz in Sachen Studiengebühren.
Das für Hochschulen zuständige Vorstandsmitglied der GEW, Andreas Keller, legte bereits im November 2007 in seiner Stellungnahme an den Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung dar, dass der Bund nach der Föderalismusreform eine Gesetzgebungskompetenz für die Hochschulzulassung besitze, die den Hochschulzugang einschließe (siehe Infokasten Download). Aus dieser neuen Verfassungsrechtslage ergebe sich, dass der Bund die Kompetenz für ein bundesweites gesetzliches Gebührenverbot habe.
"Bund und Länder haben bei ihrem Bildungsgipfel jetzt die Chance, mit der sozialen Öffnung der Hochschulen ernst zu machen", erklärte Keller am Rande der DGB-Veranstaltung in Berlin. "Neben der Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte, einer strukturellen BAföG-Reform mit der Perspektive eines elternunabhängigen Studienhonorars und dem nachfragegerechten Ausbau der Hochschulen gehört hierzu die bundesweite Abschaffung aller Studiengebühren ohne Wenn und Aber", forderte der GEW-Hochschulexperte und erinnerte an die völkerrechtliche Verpflichtung von Bund und Ländern, wieder von Studiengebühren Abstand zu nehmen.
Auch der DGB nimmt mit seinem Beschluss zum Bildungsgipfel explizit Bezug auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt), den die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert hat. Im UN-Sozialpakt hat sich Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, den "Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich" zu machen (Artikel 13 UN-Sozialpakt).
Beim für die Überwachung des UN-Sozialpakts zuständigen UN-Ausschuss in Genf ist seit 2007 eine gemeinsame Stellungnahme der Bildungsgewerkschaft GEW und der Dachverband der Studierendenvertretungen fzs anhängig, die auf eine Rüge der Bundesrepublik durch die Vereinten Nationen abzielt.
Abschreckende Wirkung von Studiengebühren belegt
Vor allem Frauen und junge Menschen aus bildungsfernen Familien machen wegen der Studiengebühren einen Bogen um die Universitäten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Hochschul Informations Systems (HIS) in Hannover, die nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa im Bundesbildungsministerium unter Verschluss gehalten wird.