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FENPROF-Kongress

9 Jahre, 6 Monate, 2 Tage

Beim Gewerkschaftskongress der portugiesischen FENPROF Mitte Juni in Lissabon ging es um die Folgen der langjährigen Austeritätspolitik für die Alterspensionen von Lehrkräften. Barbara Geier hat für die GEW am FENPROF-Kongress teilgenommen.

FENPROF, Portugals größte Lehrer*innengewerkschaft, ist mit ihrem diesjährigen Kongress wieder dem Ruf gerecht geworden, kämpferisch und weltoffen zu sein. Vom 13. – 16. Juni waren nicht nur mehr als 600 Delegierte aus den sieben portugiesischen Regionen - von Nordportugal bis zu den Inselgruppen von Madeira und den Azoren - zusammengekommen, sondern auch viele Repräsentanten befreundeter Bildungsgewerkschaften aus Europa, Afrika, Lateinamerika und Japan.

Protest gegen Rentenkürzungen

Das politische Motto des Kongresses lautete 9A6M2D (9 Jahre, 6 Monate, 2 Tage). Damit ist die geleistete Arbeitszeit während der Jahre der Austeritätspolitik gemeint, die die portugiesische Regierung den Lehrer*innen nun bei der Berechnung ihre Alterspensionen nicht anerkennen will. Dagegen waren im März dieses Jahres Zehntausende Lehrerinnen und Lehrer in Lissabon auf die Straße gegangen und hatten eine ernsthafte Regierungskrise ausgelöst. Interfraktionell wurden die Forderungen der Lehrkräfte zwar als berechtigt anerkannt. Die Regierung billigte ihnen aber aus “Budgetzwängen” nur etwas mehr als zwei Jahre Anrechnung zu.

Der Kampf geht weiter

“A luta continua” war dann auch das eigentliche, immer wieder mit erhobener Faust skandierte Motto des Kongresses. Mario Nogueira, der wiedergewählte Generalsekretär der FENPROF, hielt den Delegierten noch einmal die von ihnen gebrachten Opfer in der Zeit der von der Troika aufgezwungenen Einsparungen vor Augen: Einfrieren der Gehälter, keine Aufstiegsmöglichkeiten, Fristverträge und Pendeln zwischen z.T. entlegenen Schulstandorten. Dazu kommen Materialmangel, baufällige Schulgebäude und immer mehr Schüler*innen aus verarmten Familien. Dies alles hatten die Kolleg*innen aus Verantwortung für ihren Beruf ertragen. Und jetzt die Ohrfeige der Nichtanerkennung der Lebensarbeitszeit. “Der Kampf geht weiter”: Portugal kann der Weg des Aufstiegs nur mit gut gebildeten Menschen gelingen. Das bedeutet nicht nur Investition in allgemeinbildende Schulen und Universitäten, sondern auch in lebenslanges Lernen.

Unterstützung aus Brüssel

David Edwards, Generalsekretär der Bildungsinternationale, war zur Unterstützung der portugiesischen Kolleg*innen aus Brüssel angereist. Er begeisterte mit einer sehr politischen Rede nicht nur die Delegierten, sondern auch die internationalen Gäste. Edwards warnte vor Privatisierungen im Bildungswesen. Er forderte das Recht eines jeden Kindes und Jugendlichen auf eine kostenfreie, gute Bildung und trat für gute Lehrerausbildung und Bezahlung ein. Mit Nachdruck verurteilte er Verletzungen von Menschen- und Gewerkschaftsrechten und die Verfolgung und Inhaftierung von Lehrerinnen und Lehrern in zahlreichen Ländern. Mit anhaltendem Applaus bedankten sich die Kolleg*innen.

Zahlreiche internationale Gäste

Manuela Mendonça, bisher internationale Sekretärin der FENPROF und Vorstandsmitglied der Bildungsinternationalen, wurde zur FENPROF-Vorsitzenden gewählt. Sie hatte die nicht leichte Aufgabe, ein Seminar für die aus sehr unterschiedlichen Realitäten kommenden  internationalen Gäste zu gestalten. Die starke Gruppe der Lusophonos aus den portugiesischsprachigen Ländern verbindet mehr als die gemeinsame Sprache. So verschieden Brasilien, Cabo Verde, Guinea Bissau, São Tomé und Príncipe, Angola und Moçambique sind (Ost Timor fehlte), sie vereint die gemeinsame Kolonialgeschichte, wenn auch sehr unterschiedlicher Prägung. So war den internationalen Teilnehmer*innen ein breiter Raum für die Darstellung der Situation des Lehrer*innenberufs in ihren Ländern gegeben.

Studie zu Burnout bei Lehrkräften

Zum Abschluss stellte die Sozialwissenschaftlerin Raquel Varela das Teilergebnis einer Studie zum Burnout im Lehrerinnenberuf vor, die die FENPROF in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis dieser mit 19.000 beantworteten Fragebögen größten  Umfrage zu diesem Thema wird mit Spannung erwartet. Die internationalen Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass Burnout nicht nur ein Problem portugiesischer Lehrer*innen ist. Über Inklusion wurde auf dem Kongress zwar nicht viel geredet. Sie rahmte den Kongress jedoch beeindruckend ein. Gleich zu Beginn traten zwei Musikgruppen von Kindern und Jugendlichen auf - die Jüngeren im Streichorchester, die Älteren im Blasorchester. Alle gehören dem Projekt ‘orchestra geracao’ an,  in dem  Kinder eines sozialen Brennpunkts in Lissabon durch Musikprogramme mit Erfolg integriert werden. Den Abschluss des Kongresses bildete eine Tanzgruppe behinderter Kinder, die bewegend vorführten, wie das  Zusammenspiel zwischen Behinderten und Nichtbehinderten in aller Unterschiedlichkeit eine Einheit bildet. Dank an die FENPROF. ”A luta continua”.