3.08 Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Bewältigung der Herausforderung einer „Digitalen Welt“
Der Gewerkschaftstag hat Erwartungen und Anforderungen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung in der „Digitalen Welt“ formuliert.
Prämissen/Vorbemerkung:
Jede Aus-, Fort- und Weiterbildung zur Bewältigung der Herausforderungen einer „Digitalen Welt“ muss Teil der Bildung für die „Demokratische Welt“ sein. Daher müssen ihre Inhalte, aber auch die Formen der Umsetzung, durch Gleichwertigkeit von Werten, Inhalten, Pädagogik und Technik bestimmt werden. Ziel muss daher sein, eine wissenschaftlich fundierte Thematisierung digitaler Entwicklungen sowie den begründeten und reflektierten Einsatz oder Nichteinsatz von jeweils spezifischen Medien zu erreichen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die schnellen Veränderungen durch unterschiedlichste Formen der Digitalisierung bei den Bildner*innen aller Bereiche es erschweren, dauerhaft gültige Kenntnisse herauszubilden. Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen dürfen daher nicht nur bestehende Strukturen fortschreiben. Bei den Inhalten und Techniken der „Digitalen Welt“ schafft nahezu jede Entwicklung eine veränderte Zugangsweise auf Bildungsinhalte. Folglich muss jede Maßnahme berücksichtigen, dass deren Klientel sehr schnell vom Lernenden zum Umlernenden wird, was deutlich komplexer zu handhaben ist.
Erwartungen/Anforderungen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung in der „Digitalen Welt“ ergeben sich aus der Entwicklung der Digitalisierung in allen Bereichen unserer Lebenswelt, dem Medienhandeln der jeweiligen Klientel in den jeweiligen Bildungsbereichen und aus den Angeboten für:
- Lernen und Lehren
- Forschung und wissenschaftliches Arbeiten
- Verwaltung/Administration/Management/Qualitätssicherung
Forderungen allgemein
Pädagog*innen aller Bildungsbereiche benötigen selbst Medienkompetenz, um die Medienkompetenz ihrer jeweiligen Klientel fördern zu können. Grundlage eines differenzierten und möglichst passgenauen Angebots in der Aus-, Fort- und Weiterbildung ist ein entsprechendes Modell von Medienkompetenz, das die verschiedenen Aspekte von Bildung mit und über Medien beinhaltet, Besonderheiten des jeweiligen Bildungsgangs berücksichtigt und in der Lage ist, die weitere digitale Entwicklung im Blick zu haben.
Pädagog*innen benötigen darüber hinaus medienpädagogische Kompetenzen. D. h., sie müssen über das Medienhandeln der jeweils Lernenden (Kinder, Jugendliche, Erwachsene aller Geschlechter) informiert sein, um vorhandene Potenziale nutzen und Probleme thematisieren zu können. Und sie benötigen mediendidaktische und methodische Kompetenzen, um Medien in den Lehr- und Lernprozess sinnvoll zu integrieren.
Und nicht zuletzt erfordert sowohl das Lehren über Medien als auch das Lernen mit Medien technische und informatische Kenntnisse, um digitale Anwendungen wie Algorithmen oder Künstliche Intelligenz erklären und digitale Medien im Lehr- und Lernprozess bedienen zu können.
Die Einrichtungen für Aus-, Fort- und Weiterbildung von in der Bildung Beschäftigten müssen entsprechende Angebote zum Erwerb der genannten Kompetenzen bereitstellen.
Alle Einrichtungen zum Erwerb von Kompetenzen für Bildung in der „Digitalen Welt“ müssen mit ausreichenden materiellen Ressourcen ausgestattet sein und über entsprechend ausgebildetes Lehrpersonal verfügen, um ein umfängliches sowie vor allem differenziertes (digitales und Präsenz-) Angebot vorhalten zu können (u. a. mit zielgruppenorientierten Anwendungsschulungen, Workshops, Schulungsmaterial, Beratungsangeboten, individuellem Coaching etc.).
Aus-, Fort- und Weiterbildung zum Erwerb von Bildungskompetenzen für die „Digitale Welt“ hat nur dann Erfolg, wenn
- Zeit zur Selbstreflexion gleichwertig neben einer flächendeckenden Grundlagenvermittlung und Sachreflexion steht, was bedeutet, dass Arbeitszeit dafür zur Verfügung stehen muss,
- Akteure aller Bildungsbereiche über ein Gesamtkonzept verlässlich verzahnt sind,
- die fachlichen und überfachlichen Inhalte für den Kompetenzerwerb in allen Aus-, Fort- und Weiterbildungsordnungen und -plänen strukturell verankert und ggf. zertifiziert werden,
- Möglichkeiten zur gleichberechtigten Kollaboration mit Kolleg*innen und Lernenden geschaffen werden,
- Ungleichheiten und Ausschlüsse aller Art (u. a. Geschlecht, Alter, Behinderung, sozialer und/oder ethnischer Hintergrund) in den Blick genommen und unter der Perspektive der Inklusion entlang der gesamten Bildungskette Berücksichtigung finden.
Forderungen frühkindliche Bildung
- Es müssen Weiterbildungsangebote geschaffen werden, die den Erwerb von praxisnahem Fachwissen – sowohl theoretisch als auch praktisch – ermöglichen. Medien sollten sowohl als Mittel zum Lernen und Gestalten eingesetzt werden als auch selbst Gegenstand des kritischen Lernens sein.
- Damit die medienpädagogische Arbeit in den Kitas nachhaltig gelingt, ist es unabdingbar, das Medienhandeln der Kinder ohne Diskriminierung einzubeziehen und die Eltern in die medienpädagogische Arbeit einzubinden. Dementsprechend sollten Fortbildungen diesen Bereich der Medienerziehung einbeziehen (bspw. in Form von medienpädagogischen Elternabenden).
- Zur langfristigen Verankerung von Medienerziehung im Kita-Alltag benötigen die Erzieher*innen auch nach dem Ende von Bildungsmaßnahmen weitere Unterstützung, z. B. in Form von Beratung oder praktischer Hilfestellung, da im Alltag immer wieder sowohl technische als auch pädagogische Fragen aufkommen.
Forderungen Schule
Aus-, Fort- und Weiterbildung für Bildung in der „Digitalen Welt“
- muss auf einem „Masterplan Aus-, Fort- und Weiterbildung ‚Bildung in der Digitalen Welt‘“ beruhen,
- muss Angebote für kooperatives Arbeiten mit Kolleg*innen und Schüler*innen ermöglichen,
- muss verlässliche Qualifizierungsmaßnahmen für Schulleitungen, Unterrichtende an den Studienseminaren und Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben aufbauen, um Schulen und Studienseminare zu befähigen, kompetent auszubilden,
- muss qualifizierte Angebote sowohl für den Kompetenzerwerb als auch für Austausch sowie für selbstständiges Lernen bereitstellen,
- muss Kompetenzen für allgemeine und fachbezogene Inhalte gleichermaßen im Blick haben,
- muss unabhängige Einrichtungen zur (medien-)pädagogischen Beurteilung und Bewertung von Lehr-/Lernmaterialien unterschiedlicher Herkunft und Qualität schaffen,
- braucht Medienzentren, die mit medienpädagogischem Fachpersonal ausgestattet sind und schulartübergreifend Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen und Projekten der Medienbildung leisten.
- braucht Onlineportale mit Informations-, Lern- und Vernetzungsangeboten für Lehrkräfte mit folgenden Anforderungen:
- eine hohe Qualität der Inhalte, die selbsterklärend und kritisch nutzbar sind,
- Bereitstellung und Bevorzugung qualitativ hochwertiger „Open Educational Resources“ (OER) als Beitrag zur chancengleichen Bildung,
- die technische Niedrigschwelligkeit des Portals,
- ein hoher Schutz personenbezogener Daten,
- die Freiwilligkeit der Teilnahme.
Forderungen berufliche Bildung
Berufliche Erstausbildung findet zum überwiegenden Teil im dualen System statt. Von daher müssen hier neben den Kompetenzen der Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen (BBS) bzw. der Studierenden im Lehramt BBS immer auch die Entwicklung der Kompetenzen der Ausbilder*innen in den Betrieben und den überbetrieblichen Einrichtungen im Blick sein.
Darüber hinaus ist die kompensatorische Aufgabe der berufsbildenden Schulen in Bezug auf die fachliche Breite der beruflichen Erstausbildung und der beruflichen Praxis zu berücksichtigen. So wird in vielen Betrieben in der informationstechnischen Fachausbildung lediglich die in den einzelnen Betrieben vorhandene Software und Informationstechnik genutzt. Berufsbildende Schulen haben hier die Aufgabe, die gesamte Breite der fachlich angewendeten Informationstechnik sowie deren medienspezifischen Implikationen zu vermitteln. Informationstechnische Anwendungskompetenzen (z. B. in der Datenverarbeitung, in der technischen Konstruktion, in der Automatisierung, im Gesundheitswesen) dürfen nicht nur auf ein Produkt bezogen erworben werden, da die berufliche Schule unabhängig vom Arbeitgeber zur Ausübung eines Berufes und zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft in sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung befähigen muss.
- Es bedarf gemeinsamer Fortbildungen von betrieblichen Ausbilder*innen, Ausbilder*innen in den überbetrieblichen Einrichtungen und Berufsschullehrkräften zur Vermittlung von allgemeiner Medienkompetenz der Auszubildenden, der Schüler*innen in Vollzeitformen und der Studierenden in den Fachschulen. Gleiches gilt für gemeinsame Veranstaltungen von Studierenden im Lehramt BBS und Studierende im Studiengang Berufspädagogik.
- Lehrende in der beruflichen Bildung brauchen kontinuierlich Fachfortbildungen zu informationstechnischen Anwendungen im Berufsfeld. Dazu gehört immer auch die Antwort auf die Frage, wie der neue Lerninhalt vermittelt wird. In diesen Fachfortbildungen muss angestrebt werden, dass die gesamte Breite der fachlich angewendeten Software und Informationstechnik behandelt wird. Gleiches gilt für die fachliche und fachdidaktische Ausbildung im Lehramt.
- Bei der Vermittlung informationstechnischer Inhalte im Rahmen der beruflichen Bildung müssen immer auch die Fragen der ökologischen, arbeitsweltlichen und gesellschaftlichen Folgen thematisiert werden und welche Möglichkeiten es gibt, auf diese in demokratischen Prozessen einzuwirken.
Forderungen Hochschule
- Es bedarf einer verbindlichen, kontinuierlichen Qualifizierung und Weiterbildung von Hochschullehrkräften, um sich konstruktiv und kritisch mit den Methoden und dem Einsatz digitaler Medien auseinanderzusetzen.
- Die Hochschulen müssen für alle Lehrenden Arbeitsplätze schaffen, die das Arbeiten mit der digitalen Infrastruktur ermöglichen.
- Die Hochschulen sollen sich mit ihren Kompetenzen der Evaluation der digital gestützten Bildungsprozesse widmen und die dafür nötigen Ressourcen erhalten.
- Hochschulen müssen für ihre Lehrenden kontinuierlich Angebote für forschungsbezogene, lehrbezogene und IT-anwendungsbezogene Kompetenzen für Bildung in der „Digitalen Welt“ machen.
- Die Hochschulen sollen feste Strukturen zum Thema Bildung in der „Digitalen Welt“ einrichten (u. a. Professuren bzw. Lehrstühle).
- Zur Unterstützung des Erwerbs von Kompetenzen für Bildung in der „Digitalen Welt“ müssen Hochschulen über entsprechende Facheinrichtungen verfügen (Hochschulrechenzentren, Bibliotheken, Zentren für Hochschuldidaktik, Rechtsabteilung etc.) und den Hochschulbeschäftigten umfassende Beratung in Datenschutz- und Urheberrechtsfragen zur Verfügung stellen.
Forderungen Jugendarbeit/Jugendbildung
- In der Fachrichtung Sozialpädagogik/Sozialarbeit an Hochschulen für angewandte Wissenschaften/Fachhochschulen und an Universitäten sind vermehrt Professuren für Medienpädagogik einzurichten.
- Für Studierende der Sozialpädagogik/Sozialarbeit ist Medienpädagogik als verbindlicher und zertifizierter Teil des Studiums zu etablieren.
- Medienpädagogische Theorie und Praxis sind gleichberechtigt zu lehren.
- Da Jugendarbeit/Jugendbildung auf der Basis der freiwilligen Teilnahme basiert, ist im praktischen Teil des Studiums besonderer Wert auf aktive und handlungsorientierte Methoden (aktive Medienarbeit) zur Förderung von Medienkompetenz zu legen.
- Kommunale und freie gemeinnützig organisierte Medienzentren, die Unterstützung bei Medienprojekten sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, müssen bedarfsgerecht ausgebaut und mit entsprechendem Fachpersonal und medientechnischen Ressourcen ausgestattet werden.
Forderungen Erwachsenenbildung
- Die in der Erwachsenenbildung tätigen Lehrkräfte kommen aus unterschiedlichen Berufen und Ausbildungsbereichen. In all diesen Ausbildungsgängen der Erwachsenenbildung müssen die notwendige Medienkompetenz sowie die medienpädagogischen Kompetenzen verbindlicher und zertifizierter Bestandteil des Studiums werden.
- Für Quereinsteiger*innen, die über keine einschlägige medienpädagogische Ausbildung verfügen, müssen systematisch entsprechende Angebote geschaffen werden.
- Fort- und Weiterbildungsangebote müssen nicht nur für hauptamtlich beschäftigte Erwachsenenbildner*innen, sondern auch für Honorarlehrkräfte kostenfrei zugänglich sein. Für Honorarkräfte, die in der Zeit ihrer Fort- und Weiterbildung kein Einkommen haben, müssen Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen werden.
- Eine erwachsenenzentrierte, die Fähigkeiten älterer Menschen einbeziehende Medienkompetenz als Teil der Handlungskompetenz muss die Reflexion der sich verändernden digitalisierten Gesellschaft und die aktive Partizipation an deren Gestaltung einbeziehen. Entsprechende Angebote der politischen Bildung sind massiv auszubauen.
- Konzepte zur Förderung Geringqualifizierter sind in der Aus-, Fort- und Weiterbildung zu entwickeln bzw. zu vermitteln, um gesellschaftliche Partizipation zu ermöglichen.