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Hochschulen am Limit

„30 Jahre lang wurde nichts unternommen“

Für notwendige Sanierungsaufgaben und neue Investitionen sind an den Hochschulen bundesweit nach Schätzungen rund 140 Milliarden Euro notwendig. Die GEW fordert, den Bund in die Pflicht zu nehmen.

Die Gebäude der Universität Hannover sind in die Jahre gekommen, der Sanierungsbedarf ist groß. Doch der Uni fehlt das Geld, Reparaturen müssen verschoben werden oder können nur notdürftig erfolgen; für Ersatzbauten fehlt das Geld. (Fotos: Michael Löwa)

Die Haupt-Mensa der Leibniz Universität Hannover (LUH) ist ordentlich in die Jahre gekommen: 1980er-Jahre-Architektur, viel Beton. „Bei Lüftung und Stromzufuhr ist jederzeit zu fürchten, dass sie ausfallen“, erklärt Rüdiger Wolf, Baudezernent der LUH. Dennoch läuft der Betrieb weiter, kommen Studierende und Uni-Beschäftigte weiterhin zum Essen. Ein Ersatzbau der Produktionsküche werde erst jetzt geplant, sagt Wolf. „Wir hätten aber vor mindestens zehn Jahren mit dem Bau beginnen müssen.“

Die LUH, 26.000 Studierende, 85 Studiengänge, 5.300 Beschäftigte, nutzt etwa 160 Gebäude. Dazu gehören das „Welfenschloss“, der Campus Maschinenbau und der „Conti-Campus“, ein Hochhaus, dessen Fassade während der laufenden Bauarbeiten mit einem Netz abgedeckt ist. Auch Neubauten gibt es. Etwa die „Leibniz School of Education“, eröffnet 2023 für die Ausbildung von Lehrkräften. Ein Großteil der Gebäude hingegen stammt aus den 1960er- und -70er-Jahren. 

„Im Bereich Ingenieurwesen haben wir Decken aus Spannbeton, die die Traglast nicht mehr halten.“  (Volker Epping)

Professor Volker Epping, Präsident der LUH, schätzt: Den Sanierungsstau an seiner Hochschule zu beseitigen, koste „600 Millionen Euro aufwärts“. Beispiel, so Epping: „Im Bereich Ingenieurwesen haben wir Decken aus Spannbeton, die die Traglast nicht mehr halten.“ Da stünden schwere Maschinen als notwendige Lehr- und Forschungsinfrastruktur; es müssten sechs- bis siebenstellige Beträge in die Hand genommen werden, um die Decke zu stabilisieren oder – besser noch – zu erneuern.

Die Wissenschaftsministerinnen und -minister der Länder beziffern den bundesweiten Investitions- und Sanierungsstau bei den Hochschulen auf 140 Milliarden Euro. Seit 2007 ist der Hochschulbau allein Sache der Länder. Ausnahme: Forschungsbauten nach Artikel 91b des Grundgesetzes. Hier teilen sich Bund und Länder unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten.

Negative Auswirkungen auf Forschung und Lehre

Auch an der Bergischen Universität Wuppertal (BUW) ist der Sanierungsbedarf groß. Vor allem am Campus Grifflenberg, auf dem ein Großteil der Fakultäten untergebracht ist. Darauf verweist Volker Mittendorf, Vorsitzender des Personalrats für das wissenschaftliche Personal der BUW. Bei einzelnen Gebäudeteilen bestehe „das Risiko, dass sie evakuiert werden müssen“. Was zur Folge hätte, dass sie nicht mehr für Lehre oder Forschung zur Verfügung stünden. Zahlreiche Fenster befänden sich in schlechtem Zustand, berichtet Mittendorf. „Da wurde 30 Jahre lang nichts unternommen.“ Im Winter seien die Heizkosten hoch. Beschäftigte und Studierende litten in den Räumen dennoch unter der Kälte.

„Da waren die Labore marode, und wir konnten zwei Wissenschaftler nicht überzeugen, drei, vier oder fünf Jahre auf die Sanierung zu warten und in einer Bau-Ruine zu arbeiten.“ 

Zurück nach Hannover. LUH-Präsident Epping erklärt: Das Land Niedersachsen zahle der LUH 4,6 Millionen Euro jährlich für den Bau-Unterhalt. „Das reicht nicht“, so Epping. Die Hochschule benötige mindestens 30 Millionen Euro pro Jahr. Das wirke sich mittlerweile auch negativ auf Forschung und Lehre aus. Die LUH habe mitunter Probleme, Professorinnen und Professoren anzuwerben. Etwa für Biologie: „Da waren die Labore marode, und wir konnten zwei Wissenschaftler nicht überzeugen, drei, vier oder fünf Jahre auf die Sanierung zu warten und in einer Bau-Ruine zu arbeiten.“ 

Die beiden Biologen hätten entschieden, an eine andere Universität zu gehen. Professor Epping fordert denn auch ein Landesprogramm mit mehrjähriger Laufzeit und einem Volumen von mehreren Milliarden Euro, um die Sanierung aller niedersächsischen Hochschulen zu ermöglichen. „Das wäre ein Signal.“

Initiativen zur Modernisierung der Hochschulen 

Auch die 66. Jahrestagung der Vereinigung der Kanzlerinnen und Kanzler der Universitäten Deutschlands befasste sich mit der Gebäudemisere und zeigte, dass es durchaus gute Initiativen zur Modernisierung der Hochschulen gibt. Im September 2024 diskutierten die Teilnehmenden in Weimar: Wie lassen sich Sanierung und Baumaßnahmen mit innovativen Konzepten verbinden, um auch ökologischen und sozialen Anforderungen zu genügen? Professor Tobias Hönig von der Universität Siegen berichtete: Die meisten Gebäude der Uni Siegen befinden sich auf einem Hügel am Rand der Stadt, „umgeben von vielen parkenden Autos“. 

Inzwischen wurden einige Hochschuleinrichtungen ins Stadtzentrum verlegt, gut erreichbar zu Fuß oder per ÖPNV. Dies sei auch „ein Schritt gegen den zunehmenden Verfall der urbanen Qualitäten der Innenstadt“, unterstrich Hönig. In der Innenstadt nutzt die Uni Siegen nun ein ehemaliges Kaufhaus, dort sind Hörsäle und Seminarräume untergebracht. Auch das Department Architektur hat inzwischen einen zentralen Standort, in einem umgebauten Druckerei-Gebäude.

Bundesländer mit den Kosten überfordert

Alfred Funk, Kanzler der Uni Halle (Saale), regte auf der Tagung an, dass Hochschulen stärker als bisher in Kooperation mit Museen oder Bibliotheken Flächen nutzen und Interessen bündeln. Rolf Greve, Senatsdirektor für Wissenschaft der Hansestadt Hamburg, berichtete: Hamburg prüfe bei der Hochschulplanung auch „Nutzungsoptionen für die Stadtgesellschaft“. Wenn auch andere Ressorts profitierten, so Greve, „erleichtert es uns als Landesministerien, die Finanzierung für solche Hochschulbauten zu organisieren“. 

„Wir versuchen, die Stadtentwicklung mit der Hochschulentwicklung zusammenzubringen.“ (Claudia Meyer)

Die Teilnehmenden betonten, dass Hochschulen nicht nur der Lehre und Forschung dienten und wichtige Arbeitgeber seien. Sie prägten auch das Stadtbild. „Wir versuchen, die Stadtentwicklung mit der Hochschulentwicklung zusammenzubringen“, erklärte Claudia Meyer, Kanzlerin der Uni Kiel. Kein Zweifel: Attraktive, sozial und ökologisch ausgerichtete Hochschulgebäude schmücken eine Stadt.

Die Hochschulen baulich auf Vordermann zu bringen, überfordert jedoch die Bundesländer. Davon ist LUH-Präsident Epping überzeugt. Er betont: „Für die Sanierung der Hochschulen müssen wir den Bund ins Boot holen.“ Ähnlich sieht es Andreas Keller, Hochschulexperte und stellvertretender Vorsitzender der GEW: „Die nächste Bundesregierung muss den Weg für die Wiedereinführung der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau freimachen.“