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SWK-Gutachten

11 Empfehlungen für mehr und gut ausgebildete Lehrkräfte

Um den Lehrkräftemangel zu beseitigen und die Ausbildung zu reformieren, hat die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK neue Vorschläge vorgestellt. Die GEW begrüßt die Empfehlungen - und hat weitere Forderungen.

Die GEW fordert, rasch die Weichen für die Stärkung und Reform der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern zu ergreifen. (Foto: Shutterstock/GEW)

Nachdem die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) im Januar sechs akute Maßnahmen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel vorgelegt hatte, sind nun elf Empfehlungen für eine längerfristige Lehrkräftegewinnung und eine Reform der Lehrkräftebildung auf dem Tisch. Ziel ist es, den künftigen Bedarf an Lehrkräften verlässlich vorherzusagen und zu planen und mehr Menschen für den Lehrberuf zu gewinnen. Die angehenden Pädagoginnen und Pädagogen sollen im Studium und Vorbereitungsdienst nicht nur qualifiziert, sondern begleitet werden. Nach der ersten und zweiten Phase der Ausbildung soll es vor dem Hintergrund sich verändernder Herausforderungen Fort- und Weiterbildungen geben.

Ziele und Standards eindeutig definieren

Um etwas gegen den massiven Lehrerinnen- und Lehrermangel zu tun, gibt es seit Jahren etliche Maßnahmen in den Ländern, darunter sehr unterschiedliche Quer- und Seiteneinstiegsmodelle. Diese diversen Zugangswege zum Lehrberuf müssen nach Ansicht der SWK in ein klar strukturiertes Zugangs- und Qualifikationssystem überführt werden, das Ziele und Standards eindeutig definiert und alle drei Phasen der Ausbildung systematisch verbindet. Das sei auch wichtig für die Attraktivität des Studiums und des Berufes. 

„Die klare Positionierung für hohe Qualitätsstandards in der Lehrkräftebildung ist und bleibt unverzichtbar für die zukünftige Entwicklung unseres Bildungssystems.“ (Katharina Günther-Wünsch)

„Wir wollen aber nicht nur über den Mangel sprechen, über Quantität, sondern auch über Qualität“, betonte Felicitas Thiel, Co-Vorsitzende der SWK und Professorin für Schulpädagogik und Schulentwicklungsforschung an der Freien Universität , am Freitag in Berlin. Die KMK-Präsidentin und Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch, fügte hinzu: „Die klare Positionierung für hohe Qualitätsstandards in der Lehrkräftebildung ist und bleibt unverzichtbar für die zukünftige Entwicklung unseres Bildungssystems.“ PISA habe erneut gezeigt, dass die Leistungen von Schülerinnen und Schülern besorgniserregend seien, sagte Thiel weiter. „Aus internationalen Studien wissen wir, dass die Kompetenzen der Lehrkräfte entscheidend sind für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Deshalb dürfen die Anforderungen an den Beruf nicht abgesenkt werden.“

„Das SWK-Gutachten ist ein Weckruf für Bund und Länder.“ (Andreas Keller)

Die GEW begrüßte das Gutachten mit dem Titel „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“ und forderte Bund und Länder auf, jetzt rasch die Weichen für Reformen zu stellen. „Unsere Schulen sind mit einem massiven Fachkräftemangel konfrontiert, der die Unterrichtsversorgung gefährdet und die Lehrkräfte zusätzlich belastet. Dazu tragen nicht nur die bereits starke Belastung und miserablen Arbeitsbedingungen der Lehrerinnen und Lehrer bei, sondern auch die Defizite in der Lehrkräftebildung. Das SWK-Gutachten ist ein Weckruf für Bund und Länder“, sagte GEW-Hochschulexperte und Vizevorsitzender Andreas Keller.

„Ein klar strukturierter zweiter Weg ermöglicht es, flexibel auf den Lehrkräftebedarf zu reagieren und gleichzeitig die wissenschaftliche Qualifizierung der Lehrkräfte sicherzustellen.“ (Olaf Köller)

Zu den ausführlichen Vorschlägen der SWK-Expertinnen und Experten gehören die Empfehlungen, Datenlücken in den Ländern zu schließen und Prognosen transparent zu machen, eine bundesweite Werbekampagne für das Lehramt zu starten, die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen zu prüfen, die Möglichkeiten für ein Studium in Teilzeit auszubauen, die Zentren für Lehrkräftebildung zu stärken, die Übergänge zwischen den Ausbildungsphasen enger zu begleiten, die Verknüpfung von Theorie und Praxis zu optimieren und die Unterrichtsverpflichtung in der Berufseinstiegsphase zu reduzieren. 

Außerdem schlägt die SWK vor, dass Fachstudierende oder Berufswechslerinnen und -wechsler ein Masterstudium in einem Unterrichtsfach mit anschließendem Vorbereitungsdienst absolvieren. Dieser zweite Weg ins Lehramt soll die zahlreichen Sondermaßnahmen in den Ländern ablösen. „Ein klar strukturierter zweiter Weg ermöglicht es, flexibel auf den Lehrkräftebedarf zu reagieren und gleichzeitig die wissenschaftliche Qualifizierung der Lehrkräfte sicherzustellen. Zudem müssten keine neuen Strukturen aufgebaut werden“, erklärte Professor Olaf Köller, Co-Vorsitzender der SWK und geschäftsführender Direktor des IPN – Leibniz-Institut für die Didaktik der Naturwissenschaften und Mathematik.

  1. Daten für eine verlässliche und vergleichbare Prognose systematisch erheben und vorhandene Datenlücken in allen Ländern schließen
  2. Transparenz über die in die Prognosen eingehenden Annahmen in allen Ländern herstellen
  3. Lehrkräftebedarf und -angebot in allen Ländern bedarfsgerecht und vergleichbar modellieren
  4. Studienberechtigte, insbesondere nicht-traditionelle Zielgruppen gezielt für ein Lehramtsstudium, vor allem für die vom Mangel betroffenen Fächer und Schulformen, ansprechen
  5. Studierbarkeit datengestützt verbessern sowie soziale und akademische Integration in den Hochschulen stärken
  6. Stellenwert der Lehrkräftebildung an Universitäten durch strukturelle Verankerung sowie gezielte Anreize erhöhen
  7. Phasenübergreifende, verlässliche Abstimmungsstrukturen und Verfahren des Qualitätsmanagements etablieren sowie Übergang zwischen erster und zweiter Phase weiterentwickeln
  8. Wissenschaftsbasierte Lehrkräftebildung in der ersten und zweiten Phase sowie der Berufseinstiegsphase mit hohem Bezug zu den unterrichtlichen Anforderungen im Sinne eines kumulativen Kompetenzaufbaus gestalten
  9. Wissenschaftsbasierten, qualifizierten zweiten Weg in den Lehrkraftberuf eröffnen
  10. Angebote der Lehrkräftefortbildung zu einem forschungsbasierten, bedarfsorientierten und qualitätsgesicherten Fortbildungssystem weiterentwickeln (auf der Grundlage eines ländergemeinsamen Qualitätsrahmens)
  11. Weiterbildungen und Karrierewege für ein weiteres Unterrichtsfach bzw. sonderpädagogische Förderschwerpunkte sowie für Leitungs- und Assistenzfunktionen in Schule und Unterricht ausbauen

Weitere Positionen der GEW

Die Forderungen der GEW gehen noch etwas über die Empfehlungen der SWK hinaus. „Es kann nicht sein, dass die Länder einerseits den Lehrkräftemangel beklagen und andererseits Studienberechtigte am Numerus clausus scheitern und Studierende ihr Studium wegen schlechter Studienbedingungen abbrechen. Die Länder müssen daher die Zahl der Studienplätze erhöhen und die Betreuung der Studierenden verbessern – durch mehr Personal und Dauerstellen für Daueraufgaben“, sagte Keller. „Der Bund muss ihnen dabei mit einer Aufstockung des ‚Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken‘ sowie einer Weiterführung der ‚Qualitätsoffensive Lehrerbildung‘ unter die Arme greifen. Mit einer BAföG-Reform hat er für eine leistungsfähige und krisenfeste Studienfinanzierung zu sorgen.“

„Die Sicherung der Unterrichtsversorgung darf nicht auf Kosten der Unterrichtsqualität gehen.“ (Andreas Keller)

Mit Blick auf den Vorschlag eines zweiten Wegs in den Lehrkräfteberuf verwies der Hochschulexperte darauf, dass sich die GEW bereits auf ihrem Gewerkschaftstag 2022 für ein duales Masterstudium zur  Ausbildung von Berufsschullehrerinnen und -lehrern ausgesprochen habe. Über die Empfehlung der SWK hinaus sollte dabei der Vorbereitungsdienst in das Studium integriert werden. Entsprechende Modellversuche seien auch für andere Lehrämter vorstellbar, wenn die Qualität und Wissenschaftlichkeit des Studiums gesichert, Theorie- und Praxisanteile systematisch verzahnt und die Gleichwertigkeit der Abschlüsse mit den herkömmlichen Staatsexamina gewährleistet seien. „Die Sicherung der Unterrichtsversorgung darf nicht auf Kosten der Unterrichtsqualität gehen“, betonte auch Keller.

Lehrkräfte nicht noch mehr belasten

Die Vorschläge für kurzfristige Maßnahmen der SWK waren Anfang des Jahres bei der GEW noch auf viel Kritik gestoßen. Eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung, Einschränkungen bei Teilzeitmöglichkeiten und höhere Klassenfrequenzen lehnte die Bildungsgewerkschaft strikt ab. „Diese Empfehlungen der SWK werden die ohnehin überlasteten Lehrkräfte nur zusätzlich belasten“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern damals

Es drohe eine Spirale aus Überlastung durch Lehrkräftemangel und Lehrkräftemangel durch Überlastung, die zu Abwanderung aus dem Beruf führen werde. „Die Politik darf nicht den Fehler machen, den dramatischen Lehrkräftemangel auf dem Rücken der Lehrkräfte und letztlich der Kinder, Jugendlichen und auch der Eltern auszutragen.“

Über die SWK

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) ist ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz. Ihr gehören 16 Bildungsforscherinnen und -forscher aus unterschiedlichen Disziplinen an. Die SWK berät die Länder zu bildungspolitischen Fragen, identifiziert Herausforderungen und macht Lösungsvorschläge.