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Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG)

Das WissZeitVG schafft die rechtlichen Grundlagen für ein skandalöses Ausmaß an Kurz- und Kettenbefristungen in der Wissenschaft – auch ohne Angabe von Sachgründen. Die GEW kämpft für eine radikale Reform dieses Gesetzes.

Mit dem WissZeitVG gilt an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ein weitreichendes Sonderarbeitsrecht, das die Befristungspraxis immer weiter verschärft hat. Daran hat auch die Novellierung des WissZeitVG von 2016 nichts Wesentliches geändert, wie Freya Gassmann, die bereits 2020 für die Max-Traeger-Stiftung der GEW eine Evaluation der 2016er-Novelle des Gesetzes vorgelegt hat, aufzeigen konnte. Die vom BMBF in Auftrag gegebene Evaluation der WissZeitVG-Novelle hat 2022 bestätigt: 84 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Universitäten, 78 Prozent an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sind befristet beschäftigt. Die durchschnittliche Laufzeit der Arbeitsverträge liegt bei 18 Monaten. An den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sieht es ähnlich aus.

Befristung ist in der Wissenschaft zum Selbstzweck geworden. In der Realität der Wissenschaftsbetriebe, im Selbstverständnis und der Personalpolitik ihrer Leitungen ist der Zeitvertrag zur Regel, die Dauerstelle zur Ausnahme geworden. Die GEW kritisiert: Das WissZeitVG erfüllt seinen arbeitsrechtlichen Schutzzweck für die Beschäftigten nicht, es schützt offensichtlich nicht vor grundloser Befristung und systematischem Befristungsmissbrauch, es schafft keinen geschützten Rahmen für die wissenschaftlichen Qualifizierung, es fügt der Wissenschaft selbst und den in ihr Beschäftigten Schaden zu und verstärkt bestehende Diskriminierungsstrukturen.

#IchBinHanna: Die Beschäftigten begehren auf

Seit Juni 2021 haben tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter dem Hashtag #IchBinHanna auf Twitter und anderen sozialen Medien ihre individuellen Befristungsgeschichten erzählt. Daraus ist nicht nur eine öffentliche kollektive Anklage gegen den Befristungswildwuchs in der Wissenschaft geworden, sondern auch der Beginn einer bundesweiten Protestbewegung mit der GEW an ihrer Seite, die sich seit ihrem 2010 vorgestellten Templiner Manifest für Dauerstellen für Daueraufgaben in Hochschule und Forschung stark macht. Die Kampagnen #IchBinHanna und #Dauerstellen wirken: Die Ampelkoalition hat im November 2021 in ihrem Koalitionsvertrag eine Novelle des WissZeitVG angekündigt.

GEW fordert Wissenschaftsentfristungsgesetz

Eine weitere Reparaturnovelle wird nicht ausreichen, um Wissenschaft als Beruf planbarer, inklusiver und attraktiver zu machen. Deshalb fordert die GEW eine radikale Reform und hat auf der GEW-Wissenschaftskonferenz 2022 in Dresden einen eigenen Gesetzentwurf für ein Wissenschaftsentfristungsgesetz vorlegt – mit folgenden Eckpunkten:

  • Eingrenzung des personellen Geltungsbereichs: Dauerstellen für Lehrkräfte und Wissenschaftsmanager*innen

  • Engführung des Qualifizierungsbegriffs auf die Promotion

  • gesetzliche Verankerung von Mindestvertragslaufzeiten: In der Regel sechs, nicht weniger als vier Jahre

  • Garantierte Qualifizierung in der Arbeitszeit: mindestens 50 Prozent der Regelarbeitszeit

  • verlässliche Dauerstellenperspektive für Postdocs: keine Befristung ohne Entfristungszusage

  • verbindliche Nachteilsausgleichsregelungen

  • Mindestlaufzeit statt Höchstbefristung für studentische Beschäftigte

  • ersatzlose Streichung der Tarifsperre