Zum Inhalt springen

Internetmobbing

In letzter Zeit haben die Themen Gewalt gegen Lehrer in Form des Internet-Mobbing sowie Lehrerbeurteilungen im Internet große öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Die GEW hat sich mit dem Phänomen des Internet-Mobbing auseinandergesetzt und eine Umfrage durchgeführt, die das Ausmaß der Betroffenheit unter Lehrern und Schülern zeigt. Ebenso hat die GEW nütztliche Tipps und Hinweise zum Umgang mit Internet-Mobbing zusammengestellt.

Tipps und Hinweise zum Umgang mit Cyber-Mobbing

Auf Vorfälle von Cyber-Mobbing muss angemessen und entschieden reagiert werden. Viele Betroffene wissen nicht, wie sie sich wehren können. Viele Ansprechpartner sind ihrerseits unsicher über die richtige Verhaltensweise und neigen zu Negierung und Verharmlosung der Vorfälle. Doch den Opfern muss gezielte Hilfestellung angeboten werden. Die GEW hat eine Informationsbroschüre mit wichtigen Hintergrundinformationen und Tipps und Hinweisen zusammengestellt.

1. Prima Klima schaffen – Gewalt vorbeugen

Die beste Vorbeugung gegen alle Formen von Gewalt ist ein von gegenseitiger Wertschätzung geprägtes Schulklima; Schule als Lerngemeinschaft nicht als hierarchische „Anstalt“; Kooperation und Förderung statt Konkurrenz und Selektion; Lehrerinnen und Lehrer als Partner und Unterstützer des Lernens, nicht als Pauker; transparente und gerechte Bewertung; das Lehrerkollegium als Team; und ein zwischen Lehrern, Schülern und ggf. Eltern gemeinsam immer wieder neu erarbeiteter und vereinbarter Verhaltenskodex, den jeder und jede zu Schuljahresbeginn unterschreibt. Keine „von oben“ verordnete Schulordnung. Zum Verhaltenskodex gehört auch, dass Handys und Handy-Kameras während des Unterrichts ausgeschaltet sind, dass sie ebenso wie das Internet nicht für Mobbing-Zwecke oder Gewaltdarstellungen genutzt werden dürfen.

2. Schulleitungen tragen Verantwortung für Sicherheit und Wohlbefinden

Schulleitungen haben eine zentrale Funktion für die Schulentwicklung und das Klima an „ihrer“ Schule. Sie können die Teamentwicklung fördern und sind verantwortlich dafür, dass alle notwendigen Maßnahmen für Sicherheit und psychisches Wohlbefinden von Schülern und Lehrkräften getroffen sind. Schulleitungen müssen betroffenen Lehrerinnen und Lehrer die notwendige Unterstützung geben, selbst wenn sie mit Betroffenen pädagogisch und menschlich nicht übereinstimmen. Sie sollten für eine sachliche und unaufgeregte Atmosphäre sorgen und aufgebauschten und hysterischen Kampagnen und Reaktionen keinen Raum geben.

3. Medienpädagogik ernst nehmen – dem Missbrauch Neuer Medien vorbeugen

Internet und Mobilfunk sind technische Neuerungen, die von der jungen Generation intensiv genutzt werden. Sie haben große Vorzüge und dass mit ihnen auch Gefahren und Nachteile verbunden sind, liegt in der Natur der Sache. Sie deshalb aus den Schulen verbannen zu wollen, ist nicht nur ein vergebliches Unterfangen sondern auch pädagogisch verfehlt. Zur Medienbildung und –erziehung gehört notwendig auch die Auseinandersetzung mit rechtlichen und ethischen Fragen, die die neuen Medien aufwerfen. Was ist erlaubt, was ist nicht erlaubt? Wie fühlt man sich als Mobbing-Opfer, welche Motive haben Mobber? In der Auseinandersetzung mit solchen Fragen wird Medienpädagogik auch zur Präventionsmaßnahme.

4. Bewertung durch Schüler und Eltern selbst organisieren

Lehrkräfte müssen sich von ihren Schülerinnen und Schüler bewerten lassen. Sie sollten selbst ein professionelles Interesse daran haben, sich Rückmeldungen selbst zu organisieren und nicht zu warten bis sie auf www.spickmich.de im Internet stehen. Wer wie Lehrerinnen und Lehrer selbst tagtäglich bewertet, aber empört und gekränkt reagiert, wenn er oder sie selbst bewertet wird, macht sich unglaubwürdig. Allerdings ist das Internet zwar nach jüngsten Urteilen ein rechtlich zulässiger, aber menschlich und pädagogisch ungeeigneter Ort.
Ein regelmäßiges Schüler-Lehrer-Feedback sollte hingegen pädagogischer Standard im Unterricht sein. Schüler müssen in einem angemessenen und von gegenseitigem Respekt getragenen Verfahren die Möglichkeit haben, ihren Lehrkräften Rückmeldung zu geben, wie verständlich und interessant ihr Unterricht ist, ob sie sich gerecht bewertet fühlen und welche Änderungs- und Verbesserungsvorschläge sie für wichtig halten. Auch Eltern können bzw. sollten in solche Rückmeldeprozesse einbezogen werden. Für Lehrerkräfte sind dies wichtige Informationen, für Schüler/innen ein Signal, dass sie „als Experten ihres Lernens“ ernst genommen werden.

5. Wenn Prävention nicht ausreicht: Nerven behalten – nicht dramatisieren

Lehrkräfte waren schon immer auch Zielscheibe von Schülerstreichen und –aggressionen. Mobbing hat das digitale Zeitalter erreicht. Die Antriebe und Impulse hinter den Schikanen sind die gleichen geblieben, aber die Effekte haben sich enorm vergrößert. Deshalb: E-Mails oder Handy-Botschaften mit beleidigenden oder bedrohlichen Inhalten als Beweismaterial sammeln. Auf keinen Fall antworten. Bei konkretem Verdacht den oder die Verdächtige unter sechs Augen mit dem Verdacht konfrontieren und auffordern, damit aufzuhören. Solche Gespräche unter Zeugen müssen gut vorbereitet werden! Je nach Ausgang empfiehlt es sich, die Schulleitung oder einen Mediator einzuschalten; bei gravierenden Fällen und nach Rechtsberatung kann der Vorgang auch zur Anzeige gebracht werden. Vergleichbares gilt, wenn nicht Schüler sondern „liebe Kollegen“ oder Eltern die Absender sind.

6. Auch bei gravierenden Vorfällen: Aktiv bleiben

Lehrerinnen und Lehrer sind keine Personen des öffentlichen Interesses oder der Zeitgeschichte. Werden ohne ihre Einwilligung Bilder, Film- oder Sprechsequenzen zum Beispiel im Internet veröffentlicht, stellt das einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Betroffene kann einen Unterlassungsanspruch gegen den Betreiber der Homepage geltend machen. Bei beleidigenden oder diffamierenden Inhalten sind im allgemeinen die Persönlichkeitsrechte nach Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes verletzt. Darüber hinaus sind die Straftatbestände nach §§185ff. (Beleidigung, Verleumdung, etc.) betroffen. Bei Drohungen können auch die Straftatbestände nach § 223, §240 oder §241 StGB betroffen sein (Drohung, Nötigung, etc.). In diesen Fällen ist es wichtig, das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Dann gilt: Sich mit anderen im Team zu beraten, die Schulleitung oder die Schulaufsicht einzuschalten und - nach Rechtsberatung - den Betreiber aufzufordern, den Inhalt zu entfernen, ggf. mit einer Anzeige zu drohen. In gravierenden Fällen sollte die Polizei eingeschaltet werden. Gegebenenfalls können auch Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Über die Suchfunktion der gängigen Suchmaschinen kann man herausfinden, was über einen im Internet veröffentlicht ist.

7. Nicht in der Opferrolle verharren – Selbstreflexion wagen

Wenn man als Lehrer oder Lehrerin öffentlich bloß gestellt wird, sollte man sich nicht in die Opferrolle begeben oder die Kränkung in sich hineinfressen. Auf jeden Fall sollte man aktiv bleiben. Das können Gespräche mit Personen aus dem privaten Umfeld oder mit vertrauten Kollegen und Kolleginnen sein. Das können auch Selbsthilfegruppen oder die Inanspruchnahme professioneller Hilfe sein. Dort sollte man sich dann damit auseinandersetzen, ob einen bestimmte Verhaltensweisen zum Opfer prädestinieren oder welche eigenen Verhaltensweisen Aggressivität und Rachsucht provozieren könnten. Auch muss jeglicher Eindruck vermieden werden, als seien Mobbing-Opfer in der Lehrerschaft ernster zu nehmen als solche in der Schülerschaft.

Analyse der Kommentare

In der Umfrage der GEW zum Thema Cyber-Mobbing hatten die Befragten Raum für eigene Kommentare. Diese zeigen teilweise sehr plastisch, welche gravierenden Vorfälle sich im Schulalltag ereignet haben, wie die Betroffenen darauf reagierten und welche Lösungsmöglichkeiten in Form von Reaktions- und Präventionsmaßnahmen sie sehen.

1. Besonders gravierende Vorfälle

Die Kommentaren, die die Befragten zu besonders gravierenden Vorfällen von Cyber-Mobbing gemacht haben, spiegeln das Spektrum der technischen Schikane wider: Internetchats, Weblogs und Handykameras sind die "beliebtesten" genutzten Mittel, um einen Lehrer oder Schüler zu mobben.
Am häufigsten wurde von Vorfällen berichtet, bei denen Handyaufnahmen von Lehrern oder Schülern gemacht wurden, die diese in beschämender Weise darstellten und die ins Netz gestellt oder in anderer Form verbreitet wurden. So wird z. B. eine Situation geschildert, in der einem Lehrer ein Eimer Wasser über den Kopf gegossen wurde oder eine Lehrerin sich auf einen angesägten Stuhl setzte und daraufhin stürzte. Ferner wurden private Videoaufnahmen einer Schülerin unter den Mitschülern verbreitet, so dass sich das Opfer vor Scham nicht mehr in die Schule traute.
In Internetforen wurden Gewalttaten angekündigt, die sogar vor Morddrohungen nicht zurückschreckten. Auch hier waren Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler gleichermaßen betroffen. In einigen Fällen erhielten die Betroffenen Emails, in denen sie verspottet oder beschimpft wurden. In einem weiteren Fall loggten sich die Täter unter dem Namen von zwei Lehrerinnen in einen Sexchat ein.

2. Bewertung der Vorfälle durch die Befragten

„Die durch Cyber-Mobbing betroffenen Personen fühlen sich mehr bedroht als durch offen ausgetragenes Mobbing, da man sich über den PC sehr öffentlich gemacht und auch ausgeliefert fühlt.“ Dieser Kommentar dürfte die Meinung vieler Betroffenen widerspiegeln. Eine Verharmlosung der Vorfälle wird als nicht angebracht bewertet, zumal eine Beratungslehrerin davon berichtet, dass das Lesen von Cyber-Mobbing Emails oder Chatnachrichten traumatisieren und zu depressiven Verhalten führen kann. Die Gruppendynamik unter Schülern wird als eine Ursache für „solche Auswüchse“ gesehen.

Allerdings versuchen manche Lehrer, die Schüler zu verstehen, wenn sie ihren „Frust“ im Netz abbauen. Sie argumentieren dies damit, dass den Schülern die persönliche Auseinandersetzung schwer falle und Schulen auf ihre Kritik nicht immer eingehen: „Nicht alle Schulen nehmen Kritik von Schülern gegen Lehrer ernst, vieles wird einfach abgewiegelt und nicht verfolgt. Natürlich ist Mobbing keine Lösung, aber: sind wir nicht hin und wieder selbst verantwortlich dafür, zu welchen Mitteln Schüler greifen, wenn sie sich nicht ernst genommen fühlen?“ Mobbing sei daher nicht allein den technischen Möglichkeiten geschuldet, sondern könne auch eine Folge von unangemessenem Lehrerverhalten sein.

3. Reaktion des Umfelds auf die Vorfälle

Besonders bestürzt und verärgert äußerten sich diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, bei denen nach den Cyber-Mobbing Vorfällen keine ernsthaften Bemühungen zur Unterbindung oder Klärung stattgefunden haben. So bemängelten die Befragten, dass in den ihnen bekannten Fällen weder die Eltern, die Polizei, noch die Schulaufsichtsbehörde oder die Schulleitung angemessen reagiert hätten. Deren Reaktion reiche von Negierung oder Verharmlosung der Vorfälle bis hin zur Hilf- und Machtlosigkeit. Beispielhaft hierfür stehen die folgenden Kommentare:

-„Eltern begreifen oft nicht, was ihre Kinder im Internet tun. Eltern verstehen oft die Tragweite von "www" als Öffentlichkeit nicht“,

-„Die Polizei wurde eingeschaltet, konnte aber nicht wirklich etwas ausrichten“,

-„Ärgerlich ist die Verharmlosung durch die Polizei im Fall einer Anzeige“,

-„In einem sehr krassen Fall wurde eine entschiedene Reaktion der Schule von der Schulaufsichtsbehörde abgebogen“,

-„Die Schule reagierte dann mit einem Verweis, der aber erst vor der Bezirksregierung durchgefochten werde musste“,

-„Abhören von Gesprächen mit dem Handy bleibt nach Bekanntwerden bei der Schulleitung ohne jede Reaktion“.

Es bestehe daher bei allen Ansprechpartnern ein großer Bedarf an Aufklärung, nicht zuletzt, weil das Cyber-Mobbing Phänomen noch sehr neu ist.

4. Reaktions- und Präventionsmöglichkeiten

Dass man den Cyber-Mobbing Vorfällen nicht hilflos gegenüberstehen muss, zeigen mehrere Kommentare der Befragten. Sie geben HInweise darauf, wie die an Schule beteiligten Personen oder Behörden auf die Vorfälle reagieren sollten und wie Cyber-Mobbing präventiv verhindert werden kann.
Als grundlegend wurde die Aufklärung von Schülern, Eltern, Lehrern, Schulleitung und Schulministerium gesehen. Besonders lohne es sich, mit Schülern das Gespräch zu suchen, da ihnen die Tragweite ihrer Handlung häufig nicht bewusst sei. Einige Befragte bestätigten, dass nach einem aufklärenden Gespräch der Umgang untereinander deutlich verbessert wurde und die Vorfälle zurückgingen. Dies könne auch durch die Einführung von Verhaltenskodices erreicht werden. In ihnen werde vereinbart, wie ein rücksichtsvolles Miteinander gestaltet werden kann. Ebenso ließen sich Vereinbarungen zum Umgang mit Handys im Schulalltag treffen. Die Einführung von Verhaltenskodices wurde von Seiten der Befragten daher stark befürwortet und als sehr sinnvolle präventive Maßnahme angesehen. Fortbildungsangebote für Lehrkräfte zum Umgang mit Cyber-Mobbing wurden ebenfalls begrüßt. Des Weiteren sollte den Opfern sowie der Schulleitung aufgezeigt werden, welche (schulordnungs)rechtlichen Möglichkeiten bestehen, um gegen das Mobbing vorzugehen. Ebenso sollte den Opfern psychologische Betreuung angeboten werden. Hier könnte auch eine Supervision des betroffenen Kollegen angedacht werden.