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Studieren ist nicht mehr lustig

Gute Studien- und Arbeitsbedingungen gehören ganz nach oben auf die Agenda von Bund, Ländern und Hochschulen. „Die neue Bundesregierung kann die Weichen für eine bessere Hochschulbildung stellen“, sagt GEW-Vize Andreas Keller.

„Lustig ist das Studentenleben“ – das ist eine überholte romantische Vorstellung. Für viele Studierende entpuppt sich die Alma Mater bolognese als Fortsetzung des G8-Traumas: proppenvolle Stundenpläne, Workload bis zum Anschlag, Bulimie-Lernen – die Module spielen verrückt! Paradox: Sollte Bologna ursprünglich die Mobilität im europäischen Hochschulraum fördern, scheitert diese Idee heute bereits beim Hochschulwechsel von Potsdam nach Berlin.

Zwei von drei Studierenden jobben – nicht nur in den Semesterferien, sondern auch während der Vorlesungszeit. Die staatliche Ausbildungsförderung droht zum Auslaufmodell zu werden: Nur jeder und jede Achte bezieht überhaupt noch BAföG. Selbst wer den Höchstsatz von derzeit 735 Euro erhält, kommt damit nur schwer über die Runden. Mit der Wohnpauschale in Höhe von 250 Euro lässt sich selbst in kleineren Hochschulstädten nur unter großen Schwierigkeiten eine Bude finden, ganz zu schweigen von München, Hamburg oder Frankfurt am Main.

„Die erneute Debatte um Studiengebühren sorgt für zusätzliche Unsicherheit.“

Kein Wunder, dass heute zwar über die Hälfte eines Altersjahrgangs an die Hochschulen geht, Kinder aus Nichtakademikerfamilien es aber immer noch deutlich schwerer haben, ein Studium aufzunehmen und erfolgreich abzuschließen. Die erneute Debatte um Studiengebühren sorgt für zusätzliche Unsicherheit. In Baden-Württemberg werden seit diesem Wintersemester Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland zur Kasse gebeten – ein völlig falsches Signal in einer Zeit, in der Hochschulen mehr denn je ihre Weltoffenheit zeigen müssen.

Schwierige Rahmenbedingungen setzen selbst hoch motivierten Dozentinnen und Dozenten Grenzen. Immer seltener steht ein angemessen besoldeter Lebenszeit-Professor oder gar eine Professorin im Hörsaal: Viel wahrscheinlicher ist, dass Studierende es mit teilzeitbeschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Kurzzeitverträgen zu tun haben oder mit Lehrbeauftragten, die für einen Appel und ein Ei lehren. Immer mehr Studierende kommen auf eine Lehrkraft – die Gruppengrößen wachsen, für individuelle Betreuung bleibt keine Zeit.

„ Trotz Bildungsföderalismus: Auch die neue Bundesregierung kann die Weichen für eine bessere Hochschulbildung stellen.“

Bildung in der digitalen Welt, neue Lehr- und Lernmethoden, Drittmitteleinwerbung, Evaluation und Akkreditierung – die Lehrenden haben immer neue Herausforderungen zu schultern. Entsprechende Fortbildungsangebote gibt es nur sporadisch – und wenn, dann fehlen Lehrkräften, die mit einem Deputat von 14, 18 oder mehr Stunden „nebenbei“ promovieren oder habilitieren sollen, häufig schlicht die Kapazitäten dafür.

Höchste Zeit für eine Kehrtwende in der Hochschulpolitik! Gute Studien- und Arbeitsbedingungen gehören ganz nach oben auf die Agenda von Bund, Ländern und Hochschulen. Trotz Bildungsföderalismus: Auch die neue Bundesregierung kann die Weichen für eine bessere Hochschulbildung stellen. Statt von neuen Stipendienprogrammen zu schwadronieren, sollte sie das BAföG stärken: Eine kräftige Anhebung der Fördersätze und Freibeträge um mindestens 10 Prozent und die Umstellung auf einen Vollzuschuss sind überfällig. Die Länder müssen endlich die Studierbarkeit der Studiengänge sicherstellen und die Anerkennung von Studienleistungen – und damit die Mobilität der Studierenden – garantieren.

Gute Bildung gibt es nur mit guten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Lehrenden: Die Hochschulen müssen ihre Beschäftigten besser unterstützen und entlasten, ihnen faire Arbeitsbedingungen und verlässliche Karrierewege anbieten. Vor allem aber müssen Bund und Länder endlich die Weichen für eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen stellen, statt von Pakt zu Pakt zu taumeln. Gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden wird die Bildungsgewerkschaft GEW Ministerinnen und Senatoren, Rektorinnen und Präsidenten Beine machen. Organisiert euch, engagiert euch – wir können auch anders!