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Demokratiebildung

Stabil unzufrieden

Was sagen aktuelle Studien zum Vertrauen in die Demokratie? Und wie steht es um das Engagement Jugendlicher in Vereinen, Gewerkschaften, Stadtteilprojekten? Ein Besuch in Mühlhausen, Nord-Thüringen.

Um das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen ist es in Deutschland derzeit nicht gut bestellt. Mit Demokratie und Parlamentarismus hadern demnach vor allem Menschen in Ostdeutschland und jene, denen es ökonomisch schlechter geht. (Foto: IMAGO/Bernhard Classen)

Eine Pumptrack-Anlage soll es sein. Eine Sportanlage mit Steilkurve, Wellen und Sprüngen, die sich mit Skateboards oder Rollern befahren lässt. Dies sei das „Wunschprojekt der Jugendlichen“ am Ort, berichtet Anke Hildebrand. Die 38-Jährige arbeitet für das „Kinder- und Jugendbüro“ (KiJuB) der Stadt Mühlhausen im nördlichen Thüringen. Entwickelt wurde die Idee gemeinsam mit 14- bis 20-Jährigen in einem Workshop, den das KiJuB organisiert hatte. Geplant ist zunächst eine mobile Anlage, die demontiert und andernorts wieder aufgebaut werden kann.

„Noch haben wir das Projekt nicht umgesetzt“, räumt Hildebrand ein. Anwohner hätten die Sorge, dass der neue Jugend-Treffpunkt Lärm verursache. „Ein Konfliktfeld“, so die Diplom-Sozialwirtin. Doch die jungen Leute hätten das Recht, das Stadtgebiet zu nutzen. Dazu müsse nun ein „öffentlicher Diskurs“ geführt werden. „Wir als Stadtverwaltung überlegen, wie wir das begleiten.“

Mühlhausen, 36.000 Einwohner, Fachwerk, gotische Kirchen, ein „Bauernkriegsmuseum“. Die Stadt legt Wert darauf, dass sich junge Menschen einmischen. „Ihr Kinder und Jugendlichen habt gemäß der UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf Beteiligung an Prozessen und Entscheidungen in Eurer Stadt Mühlhausen.“ So steht es auf der Homepage des KiJuB.

„Zwei Drittel halten es für sinnlos, sich politisch zu engagieren.“

Partizipation zu fördern, ist sinnvoll. Wenn Jugendliche und Erwachsene erleben, dass sie ihr Umfeld mitgestalten können, stärkt dies deren Vertrauen in die Demokratie. Darauf verweist eine repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach vom Dezember 2022. „Durch Erfahrungen aus Schule, Freizeit oder ersten Engagements in Jugendverbänden oder Vereinen“ entwickelten Jugendliche „ein immer besseres Verständnis von Politik und Demokratie“, heißt es auch auf der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Diverse Studien kommen jedoch zu dem Schluss, dass es um das „Verständnis von Politik und Demokratie“ seit Jahren schlecht bestellt ist. „Die Demokratiezufriedenheit in Deutschland verharrt auf niedrigem Niveau“, meldet eine aktuelle Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Mit Demokratie und Parlamentarismus haderten demnach vor allem jene, denen es ökonomisch schlechter geht, die einen niedrigen Bildungsabschluss haben oder sich der Unter- oder Arbeiterinnen- und Arbeiterschicht zurechnen. In den westlichen Bundesländern sind gerade einmal 52 Prozent der Bevölkerung mit dem „Funktionieren der Demokratie“ zufrieden – 2,5 Prozentpunkte mehr als 2019, als die FES erstmals Daten dazu erhoben hatte. In Ostdeutschland treffe dies nur noch auf 34 Prozent zu – 2 Prozentpunkte weniger als 2019. Diese Zahlen seien „Alarmsignale“, so die FES.

Eine Studie der Universität Leipzig zum Demokratieverständnis in den ostdeutschen Bundesländern, veröffentlicht im Juni 2023, zeigt auf: „Zwei Drittel halten es für sinnlos, sich politisch zu engagieren.“ Es gebe „hohe Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen“. Gewünscht werde „die scheinbare Sicherheit einer autoritären Staatlichkeit“. Ausländerfeindlichkeit sei bei 27,9 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung festzustellen, Antisemitismus bei 5,6 Prozent. Die Studie hält, dem aktuellen AfD-Höhenflug zum Trotz, allerdings auch fest: „Am Anteil derjenigen, die Elemente der extrem-rechten Ideologie teilen, hat sich nicht viel geändert.“ Bereits im Zeitraum 2002 bis 2010 galt: Ausländerfeindlichkeit stieß bei 30,4 Prozent der Menschen in Ostdeutschland auf Zustimmung, Antisemitismus ließ sich bei 5,8 Prozent ausmachen.

Informationen fehlen

Und wie sieht es mit dem Engagement junger Menschen aus? In Mühlhausen hat Hildebrand den Eindruck, „dass es abgenommen hat“. Zum einen „Corona-bedingt“. Den Jugendlichen hätten während der Pandemie die Möglichkeiten gefehlt, sich zu treffen und eigene Interessen zu artikulieren. Zum anderen seien die jungen Leute heute „gestresster“. Was auch an Social Media liege und an der damit verbundenen Informationsflut. „Das nimmt viel Zeit in Anspruch“, sagt sie. Es sei schwierig, „das alles zu filtern und in eine gute Bahn zu bringen.“

Wir treffen Colin, Florian und Ashley. Die drei 17-Jährigen besuchen das Mühlhausener Tilesius-Gymnasium und schreiben derzeit eine Seminarfacharbeit zum Thema Jugendbeteiligung/Ehrenamt. Colin erklärt: „Wenn es um den Bereich Klima geht, sehe ich sehr großes Engagement von unserer Generation.“ Er habe zudem Freunde, die bei der Freiwilligen Feuerwehr sind. Auch Florian glaubt, dass das Engagement nicht gesunken sei. „Ich habe viele Bekannte in der Schule, die sich politisch engagieren, für verschiedene Parteien.“ Ashley hingegen widerspricht. „Es gibt heute weniger, die sich engagieren.“ Warum? „Hauptsächlich, weil viele nicht Bescheid wissen.“ Es fehle an Informationen, was man tun könne und wo.

„Es darf nicht um zielloses Beteiligen gehen – Engagement junger Menschen muss ihnen wirkliche Einblicke und Erkenntnisse über das demokratische Zusammenleben bringen.“ (Bundesfamilienministerium)

Laut Bundesfamilienministerium gilt: 73 Prozent der 15- bis 25-Jährigen seien aktiv, zumeist im Verein, in einer Jugendorganisation, bei Rettungsdienst oder Freiwilliger Feuerwehr. Die Shell-Jugendstudie von 2019 kommt zu dem Schluss, dass sich junge Leute aus der Mittel- oder Oberschicht häufiger engagieren als Angehörige der unteren Schichten. Unterschiede zwischen West und Ost spielten hingegen „keine signifikante Rolle“. Das Bundesfamilienministerium betont, dass Partizipation allein nicht ausreiche. „Es darf nicht um zielloses Beteiligen gehen – Engagement junger Menschen muss ihnen wirkliche Einblicke und Erkenntnisse über das demokratische Zusammenleben bringen.“

Ähnlich sieht es Patrick Otto, der als Fachdienstleister Soziales der Stadt Mühlhausen auch für das KiJuB zuständig ist. Es sei schön, wenn Jugendliche erlebten, dass ihre Aktivitäten positive Effekte erzielen. Es gehöre aber dazu, in einer Debatte Niederlagen einstecken zu können. „Es wäre wünschenswert, dass man kein schlechtes Gefühl hat, wenn man als Verlierer aus einer Diskussion herausgeht.“