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Ziel: Schule als drogenfreier Raum

Drogentest, Strafanzeige, Hausverbot, aber auch Gespräch, Aufklärung und Präventionsworkshops: Was passiert, wenn Schülerinnen und Schüler mit Drogen erwischt werden? Eine Umfrage unter Berliner Schulleitungen.

Foto: Pixabay / CC0
  • Miriam Pech, Schulleiterin der Heinz-Brandt-Oberschule, Berlin Pankow: Null-Toleranz-Politik

„Ganz klar: Wenn wir Schüler in der Schule beim Drogenkonsum erwischen, holen wir sofort die Polizei, die im Extremfall einen Drogentest durchführt. Natürlich informieren wir gleich die Eltern. Neulich hat ein Jugendlicher Hasch verteilt. Das ist inakzeptabel. Wir differenzieren deutlich zwischen Eigenkonsum und Weitergabe. Die Schulkonferenz hat sich für einen Schulverweis ausgesprochen, letztlich entscheidet die Schulaufsicht. In diesem Fall hieß das: Der Schüler musste unsere Schule verlassen. In unserer Schulordnung ist eine Null-Toleranz-Politik verankert. Bei der Anmeldung weisen wir Schüler und Eltern darauf hin. Zu Beginn jedes Schuljahres gehen die Kollegen diese Regel mit den Klassen noch mal durch. Von der 7. Klasse an setzen wir auf intensive Prävention: Aufklärungsworkshops, Anti-Raucher-Parcours, Trainings in Teambildung. Natürlich nehmen manche Schüler trotzdem Drogen, aber nicht auf unserem Gelände. Mir ist ungeheuer wichtig, dass die Schule ein drogenfreier Raum ist. Kinder und Jugendliche entwickeln sich noch, für sie sind Drogen höchst gefährlich. Schwierig finde ich, wenn Eltern ihren Kindern keine klare Haltung zum Cannabiskonsum vermitteln, sondern vielleicht sogar gemeinsam mit ihnen kiffen. Viele Eltern scheinen gar nicht zu sehen, wie wichtig es ist, sich abzugrenzen. In der Schule ist spürbar, dass Hasch gesellschaftlich akzeptabler geworden ist.“

  • Doris Hellmuth, kommissarische Schulleiterin des John-Lennon-Gymnasiums, Berlin Mitte: Unmittelbar reagieren

„Wir haben zum Glück sehr selten Probleme mit Drogen und meist ist es sehr harmlos. Vor einiger Zeit etwa ließ eine Gruppe von 13-, 14-jährigen Jugendlichen eine Flasche Sekt kreisen. Als eine Art Mutprobe. Eine Schulsozialarbeiterin hat das beobachtet. In so einem Fall ist es wichtig, unmittelbar zu reagieren: Schüler aus dem Unterricht holen, gemeinsame Gespräche mit dem Klassenleiter, Schulsozialarbeitern und einem Mitglied der Schulleitung führen. Was genau ist passiert, worum geht es? Mit den Eltern gibt es spätestens am nächsten Tag ein Gespräch. Auch wenn Sekt natürlich keine harte Droge ist, halten wir es für wichtig, als Schule pädagogisch klar aufzutreten. Die älteren Schüler bekommen sofort Hausverbot, sollten sie mit Drogen erwischt werden, egal was es ist. Ab Klasse 8 gibt es bei uns verschiedene Präventionsprogramme. Aufklärung bringt eine ganze Menge. Zum Glück haben wir intellektuell sehr wache Schüler. Sie sind mit rationalen Argumenten sehr gut zu erreichen. Wenn sie hören, was Drogen in ihrem Kopf anrichten können, winken sie ab. Die intellektuelle Power gefährden? Bloß nicht.“

  • Guido Landreh, Schulleiter der Reinhold-Burger-Oberschule, Berlin Pankow: Offener Umgang mit dem Thema

„Wer dealt und dabei erwischt wird, bekommt eine Strafanzeige. Wenn wir Schülerinnen und Schüler sehen, die kiffen oder trinken oder unserer Einschätzung nach erkennbar drauf sind, reagieren wir pädagogisch. Reden mit den Eltern, führen Gespräche mit den Jugendlichen, ziehen Experten hinzu und treffen Vereinbarungen. Manche Eltern wiegeln ab und versuchen, ihre Kinder mit wenig aussagekräftigen Schnelltests aus der Apotheke zu rehabilitieren. Andere sind dankbar für unsere Unterstützung. Viele sehen weg. Es wird viel zu viel gelogen, wenn es um Drogen geht. An jeder Berliner Schule sind Drogen erhältlich, da müssen wir uns nichts vormachen. Das Wichtigste ist für mich ein offener Umgang mit dem Thema an der Schule. Wir empfehlen den Eltern: Sprecht mit eurem Kind über Drogen, genauso wie ihr mit ihm über Sex oder Aids reden müsst. Denn eurem Kind werden Drogen angeboten werden und ihr werdet nicht danebenstehen. Also vorher sachlich aufklären, die Gefahren benennen, ohne zu verteufeln. In unserer Schule tun wir das zum Beispiel in den Klassenleiterstunden, wenn möglich unterstützt von einem Tandem Drogenberatung und Polizei. Doch besser als mit Theorie lassen sich unsere Schüler mit Geschichten erreichen. Wenn etwa ehemalige Drogenabhängige von ihren Erlebnissen erzählen oder ein Spielfilm die Folgen von Drogensucht ohne erhobenen Zeigefinger anschaulich macht, berührt sie das emotional – und verändert wirklich etwas.“

  • Robert Giese, Schulleiter der Fritz-Karsen-Schule, Berlin Britz: Prävention ist Pflicht:

„Wenn Drogen im Spiel sind, suchen wir sofort das Gespräch mit den Schülern. Manchmal erwischen wir sie beim Konsum, manchmal fragen ihre besorgten Eltern um Rat, ab und zu kommen Schüler selbst. Zum Beispiel weil sie merken, dass sie durch den Drogenkonsum in der Schule nicht mehr zurechtkommen. Dann sprechen unsere Sozialpädagogen mit ihnen, vermitteln Hilfsangebote in Beratungsstellen. Manche Schüler wollen keine Hilfe. Sie sagen etwa: „Ich kiffe einmal die Woche und das soll so bleiben.“ Nun, solange sie es nicht in der Schule tun, können wir daran nichts ändern. Aber wir klären sie präzise über die Folgen auf und informieren ihre Eltern. Wollen sie das ausdrücklich nicht, unterschreiben beide Seiten eine Vereinbarung: Sie verpflichten sich, zu einer Drogenberatung zu gehen, im Gegenzug verzichten wir darauf, die Eltern einzuschalten. Neulich haben wir wieder ein paar Jungs mit geröteten Augen aus dem Unterricht geholt. Sie gestanden schnell: „Wir haben Hasch geraucht.“ Die Eltern mussten sie abholen, am nächsten Tag gab es ein ausführliches Gespräch. Manchmal allerdings bestreiten die Betroffenen alles. Dann sagen wir: „Gut, wir machen uns Sorgen um deine Gesundheit. Wir holen einen Krankenwagen, der dich zur Untersuchung ins Krankenhaus fährt. Deine Eltern müssen die Kosten tragen.“ Spätestens dann packen die meisten aus. Prävention ist bei uns in der 8. Klasse Pflicht, akute Probleme werden im wöchentlichen Klassenrat besprochen. In den vergangenen Jahren ist der Drogenkonsum bei uns spürbar zurückgegangen. Dazu hat sicher die Initiative unserer Elternsprecher beigetragen, die für Eltern Informationsgespräche organisiert haben. Ich vermute, die meisten Schüler fühlen sich in unserer Schule wohl, daher verspüren sie weniger Drang, der Realität zu entfliehen.“

  • Juliane Westphal, Schulleiterin Sophie-Scholl-Oberschule, Berlin Schöneberg: Schülern Verantwortung übertragen

„Unsere Schule liegt direkt neben dem Kleistpark, er war lange ein Hotspot für Marihuana-Dealer im Kiez. In dieser Zeit war tatsächlich Kiffen bei uns häufig ein Thema. Seit fünf Jahren aber ist der Drogenkonsum massiv zurückgegangen. Das hat zwei Gründe: Wir haben bei uns eine Drogenbeauftragte, und alle Schüler nehmen an Aufklärungsworkshops teil. Außerdem hat eine stärkere Polizeipräsenz im Park viele Dealer vertrieben. Wenn doch mal ein Jugendlicher bekifft in den Unterricht kommt, setzen wir uns sofort zu pädagogischen Gesprächen zusammen: mit dem Schüler oder der Schülerin, den Eltern, dem Schulpsychologischen Dienst und dem Klassenleitungsteam. Wichtig ist uns die Ursachenforschung: Warum greift jemand zu Drogen, stimmt etwas zu Hause oder in der Schule nicht? Genauso würden wir verfahren, wenn ein Schüler in der Schule selbst kifft. Vorgekommen ist das bisher nicht. Wird gedealt, schalten wir dagegen sofort die Polizei ein und erstatten Anzeige. Vom Unterricht suspendieren oder gar von der Schule verweisen würden wir niemanden. Damit wird dem Schüler oder der Schülerin ja nicht geholfen. Also gehen wir wieder ins Gespräch, vermitteln gegebenenfalls eine Therapie. Passiert ist das schon lange nicht mehr. Während der Mottowoche in der Abiturphase betrinken sich die Schüler oft, besonders vor dem Schulgebäude. In diesem Jahr haben wir sie daher vor die Alternative gestellt: Entweder die Mottowoche findet nur noch während der Klausurzeit statt, oder ihr sorgt selbst dafür, dass null Alkohol im Spiel ist. Das hat tadellos geklappt. Uns hat es bewiesen, dass für uns die beste Strategie gegen Drogen heißt: offen mit den Schülern reden und ihnen Verantwortung übertragen.“