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Tarifgespräch zur Zusatzversorgung: Arbeitgebern Denkpause verordnet

Bei den Gesprächen zur Zukunft der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst zeigte sich, dass die Arbeitgeber die aktuelle Finanzkrise missbrauchen wollen, um die Leistungen der Zusatzversorgung (VBL bzw. ZVK) zu verschlechtern. Das lassen sich die Gewerkschaften nicht gefallen. Sie haben den Arbeitgebern drei Monate Zeit gegeben, ihre Position zu überdenken.

Im Rahmen der Gespräche am 9. März machten die Gewerkschaften den Arbeitgebern von Bund, Ländern und Kommunen klar, dass weitere Verschlechterungen bei der Zusatzversorgung der Beschäftigten völlig inakzeptabel sind. Der bei der Abschaffung der Gesamtversorgung 2001 gefundene Kompromiss war für die Beschäftigten bereits schmerzhaft genug.

Hintergrund der Gespräche ist, dass der Bundesgerichtshof die Regelungen zur Ermittlung der Startgutschriften für rentenferne Jahrgänge teilweise für unzulässig erklärt und den Tarifvertragsparteien aufgetragen hatte, die Regelungen zu Gunsten der Beschäftigten zu überarbeiten. Mit den Startgutschriften waren 2001 bei der Einführung des Punktemodells die Ansprüche der Beschäftigten aus dem alten Gesamtversorgungssystem in Versorgungspunkte des neuen Systems überführt worden. Nach den Vorstellungen der Arbeitgeber sollen die Beschäftigten die Verbesserung der Startgutschriften durch Verschlechterungen im Punktesystem selbst bezahlen.

Was sind die Argumente der Arbeitgeber?

Um zu verstehen, worum es geht, muss man sich vor Augen führen, wie die Zusatzversorgung seit 2001 funktioniert. Im Punktesystem werden mit Hilfe einer Mindestverzinsung die entrichteten Beiträge und Umlagen in Versorgungspunkte umgerechnet. Der dabei verwendete rechnerische Zins war Teil des Tarifkompromisses aus dem Jahr 2001, denn er entscheidet darüber, wie hoch die garantierte Rente am Ende ist. In dem Teil der Zusatzversorgung, in dem echtes Geld angelegt wird - bei der VBL Ost sowie vielen kommunalen und kirchlichen Zusatzversorgungskassen - konnte dieser Mindestzins bisher immer übertroffen werden, es wurden sogar Rücklagen für schlechtere Zeiten gebildet.

Im umlagefinanzierten Teil der Zusatzversorgung - der VBL West sowie einigen kommunalen Kassen - werden die Umlagen wie im gesetzlichen Rentensystem voll zur Auszahlung der laufenden Renten verwendet. Die Verzinsung, aus der sich die Höhe der Versorgungspunkte und der Bonuspunkte errechnet, ist rein fiktiv, d.h. sie existiert nur auf dem Papier. Sie wird auch nur auf der Grundlage eines fiktiven Beitrags von vier Prozent des Entgelts berechnet, darüber hinausgehende Einzahlungen dienen ausschließlich zur Bedienung der "Altlasten" aus dem früheren Umlagesystem. So werden z.B. in der VBL West 1,41 Prozent vom Arbeitnehmer und 6,45 Prozent vom Arbeitgeber eingezahlt. Auf den vollen Betrag müssen Steuern und Sozialabgaben entrichtet werden, was das Ganze für Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch einmal deutlich teurer macht (dort, wo echtes Geld angespart wird, sind die Beiträge dem gegenüber steuer- und teilweise abgabenfrei).

Mit der abenteuerlichen Behauptung, durch die schlechte Kapitalmarktentwicklung sei der echte Zins so niedrig, dass die (fiktive!) Verzinsung nicht mehr ausreiche, um mit (fiktiven!) vier Prozent Beitrag die Leistungen in der Zukunft zu finanzieren, versuchten die Arbeitgeber nun, die fest zugesagte Rente für alle Beschäftigten weiter abzusenken (die Leistungszusage ist in Kapitaldeckung und Umlage die Gleiche). Und das, obwohl auch im Umlagesystem in besseren Zeiten die rechnerischen (fiktiven) Überschüsse verwendet wurden, um mit echtem Geld der Arbeitnehmer und Arbeitgeber Rücklagen für schlechtere Zeiten zu bilden.

Was setzen die Gewerkschaften dagegen?

Die Mitglieder der Verhandlungskommission der Gewerkschaften machten deutlich, dass bereits heute die Belastung der Beschäftigten, die im Umlagesystem versichert sind, durch Umlagen, Steuern und Sozialabgaben so hoch ist, dass jede Verschlechterung den Sinn der Zusatzversorgung in Frage stellen würde.

So kostet die VBL (West) eine Lehrerin in Entgeltgruppe 13, Stufe 5 (bei Steuerklasse I oder IV) jeden Monat fast 180 Euro. Die daraus entstehende Monatsrente ist vom Alter abhängig, sie beträgt z.B. für heute 45-jährige (Rente ab 2030) 24 Euro und für heute 55-jährige (Rente ab 2020) gut 18 Euro. Um eine gleich hohe Rente in einer kapitalgedeckten Zusatzversorgungskasse garantiert zu bekommen, müsste sie im Monat netto nur rund die Hälfte aufwenden. Der Grund liegt ausschließlich in der schlechteren steuer- und beitragsrechtlichen Behandlung der Umlagen gegenüber Beiträgen im Kapitaldeckungsverfahren.

So lange Beschäftigte mit Steuern und Abgaben für Umlagen belastet werden, die ihnen selbst nicht zugute kommen, brauchen wir über veränderte Berechnungsgrundlagen für die Garantierente im Punktesystem gar nicht zu reden. Wir sollten statt dessen abwarten, wie der Bundesfinanzhof die Klage eines Arbeitgebers (!) gegen die Versteuerung der Umlagen entscheidet.

Die Gewerkschaftsvertreter haben den Arbeitgebern klargemacht, dass sie rechtlich gesehen in der Pflicht sind , alle in der Vergangenheit gemachten Zusagen zu erfüllen, auch wenn die Arbeitnehmer sich nicht an der Finanzierung beteiligen würden. Sie seien also gut beraten, mit darauf zu achten, dass die Schmerzgrenze der Arbeitnehmer nicht überschritten wird. Andernfalls werden die Gewerkschaften den Sinn der Zusatzversorgung insgesamt in Frage stellen müssen.

Wie geht es weiter?

Die Arbeitgebervertreter waren auf einen solchen Gegenwind offensichtlich nicht vorbereitet. Sie hatten wohl geplant, mit lauter kleinen Gemeinheiten die zugesagte Rente klein zu rechnen. Denn darauf können sich Arbeitgebertreter immer einigen. Damit können sie auch die großen Interessengegensätze zukleistern, die es innerhalb des Arbeitgeberlagers gibt. Denn nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Arbeitgeber sind sehr ungleichmäßig durch die Steuern uns Sozialabgaben belastet - und nicht alle profitieren in gleicher Weise durch die Steuer- und Beitragseinnahmen.

Jetzt haben die Arbeitgeber drei Monate Zeit, zur Vernunft zu kommen. Danach wird man sich wieder zusammensetzen. Die Gewerkschaften wissen, dass die Beschäftigten auf eine vernünftige und gerechte Neuregelung der Startgutschriften warten. Wenn die Arbeitgeber aufhören, die Gespräche für weitere Verschlechterungen zu missbrauchen, sind wir der Einigung einen Schritt näher.