Zum Inhalt springen

Sackgasse für junge Flüchtlinge?

Viele junge Flüchtlinge werden an sogenannten segregierten Schulen unterrichtet, deren Schülerschaft mehrheitlich Migrationshintergrund hat und aus sozial benachteiligten Familien stammt. Eine Studie beschreibt die dortigen Lernbedingungen.

Schulen an sozial benachteiligten Standorten können junge Geflüchtete häufig nicht ausreichend unterstützen, weil die dort arbeitenden Lehrkräfte ohnehin schon stark belastet sind. Das ist ein Ergebnis der Studie „Schule als Sackgasse? Jugendliche Flüchtlinge in segregierten Schulen“ des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Ausgewertet wurden Interviews mit Lehrkräften auf Zeit der gemeinnützigen Bildungsorganisation Teach First Deutschland über den Unterrichtsalltag an 56 weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen.

Etwa 130.000 jugendliche Geflüchtete hat das deutsche Bildungssystem seit 2015 aufgenommen. Die meisten werden zunächst Vorbereitungsklassen in segregierten Schulen zugewiesen. Laut Studie bemühen sich ihre Lehrkräfte in der Regel sehr intensiv darum, die jungen Menschen mit individueller Förderung auf den Regelunterricht vorzubereiten. Das ändert sich, sobald die Jugendlichen in den Regelklassen ankommen: Hier fördern laut Studie nur wenige Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler individuell. So seien viele junge Geflüchtete gefährdet, „einen Abschluss weit unter ihren Möglichkeiten zu erreichen oder die Schule abzubrechen“. Für einen erfolgreichen Bildungsweg bräuchten sie erheblich mehr sprachliche, fachliche, sozialpädagogische und mitunter auch psychologische Unterstützung.

Langfristig solle die Lehrkräfteausbildung besser darauf vorbereiten, „eine Schülerschaft zu unterrichten, die unterschiedliche kulturelle und sprachliche Hintergründe hat sowie aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammt“. (Cornelia Schu)

Während die Zusammenarbeit der Lehrkräfte in den Vorbereitungsklassen laut Studie „noch verbesserungsfähig“ ist, findet sie in Regelklassen kaum mehr statt. Fördermaßnahmen würden nicht ausreichend abgestimmt. Das hat Gründe: Laut Studie erschweren die bekannt ungünstigen Rahmenbedingungen an segregierten Schulen einen intensiveren Austausch unter den Lehrkräften. Denn diese sind stärker mit sozial und emotional herausfordernden Jugendlichen konfrontiert; sie haben entsprechend weniger Zeit für Absprachen und gemeinsame Unterrichtsvorbereitungen als in Schulen an sozial begünstigteren Standorten.

Die soziale Entmischung in Schulen und ihre Folgen sind ein grundsätzlicher bildungspolitischer Missstand, auf den die GEW seit vielen Jahren hinweist. Auch Winfried Kneip, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, die die SVR-Studie gefördert hat, fordert „mehr systematische Unterstützung für segregierte Schulen“. Die Forscher schlagen vor, diesen Schulen „entsprechend ihrer Situation“ mehr Lehrerinnen und Lehrer zuzuweisen. Langfristig solle die Lehrkräfteausbildung besser darauf vorbereiten, „eine Schülerschaft zu unterrichten, die unterschiedliche kulturelle und sprachliche Hintergründe hat sowie aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammt“, sagt SVR-Geschäftsführerin Cornelia Schu. Letzteres sei ohnehin viel ausschlaggebender für den Bildungserfolg als der Migrationshintergrund.

Die Studie fordert dazu auf, eine weitere Segregation im deutschen Schulsystem zu verhindern und empfiehlt, bei der Zuweisung junger Geflüchteter die Zusammensetzung der Schülerschaft vor Ort zu berücksichtigen. „Das soziale Umfeld beeinflusst die Bildungschancen von Kindern hierzulande stark“, sagt Kneip, „stärker als im Durchschnitt der OECD-Länder. Das war schon vor der verstärkten Flüchtlingsaufnahme so.“