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Neue Entgeltordnung für Lehrkräfte: GEW-Forderungen

In Zukunft darf es keine Bezahlungsunterschiede zwischen Lehrkräften mehr geben - egal, in welcher Schulform sie unterrichten. Auf diese Forderung verständigten sich Vertreterinnen und Vertreter der GEW-Landesverbände Anfang Juni in Fulda.

Kleine Kinder - kleines Gehalt, große Kinder - großes Gehalt, nach dieser Devise werden die Lehrkräfte derzeit in Deutschland bezahlt. Dass das geändert werden muss, ist schon seit langem eine der Hauptforderungen der GEW.

Jetzt kommt Bewegung in das Thema: Im September nimmt die Bildungsgewerkschaft, nach Jahrzehnten der Arbeitgeberwillkür, zum ersten Mal mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) Verhandlungen über eine Entgeltordnung für Lehrkräfte auf. Dabei geht es zusätzlich um die Beseitigung anderer Benachteiligungen der Beschäftigten und Widersprüche im derzeitigen System.
 
Vom 3. bis 5. Juni haben in Fulda 70 von den Landesverbänden entsandte Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Schule und Hochschule die Forderungen der GEW für die Entgeltordnung Lehrkräfte im Bereich der TdL diskutiert. Sie waren sich einig, dass es in einem zukünftigen Entgeltsystem keine Bezahlungsunterschiede zwischen Lehrkräften an Grund-, an Haupt-, Real-, Mittel-, Regel- oder sonstigen Sek-I-Schulen und an Gymnasien, beruflichen Schulen sowie Sonder-, Förder- oder vergleichbaren Schulen mehr geben darf.

Die Arbeit an verschiedenen Schulen sei zwar unterschiedlich, aber sie sei gleichwohl gleich viel wert. Auch die Fachwelt ist sich in dieser Frage einig. Im Arbeitgeberlager ist dies aber noch nicht angekommen.


Netto-Schere zu Beamten schließen
Die Unterschiede im Nettoeinkommen zwischen Angestellten und Beamten sind in den vergangenen 20 Jahren immer größer geworden. Ursprünglich lagen die Bruttogehälter der Angestellten rund sieben Prozent oberhalb der vergleichbaren Beamtenbesoldung, um einen Ausgleich für die höheren Sozialabgaben zu schaffen. Im Wesentlichen steigende Beitragssätze zur Sozialversicherung führten jedoch zu immer größeren Abständen zwischen Angestellten und Beamten.

Seit der Einführung des Tarifvertrages öffentlicher Dienst Länder (TV-L) 2006 hat sich die Situation dadurch verschärft, dass die Bruttogehälter angestellter Lehrerinnen und Lehrer teilweise deutlich abgesenkt wurden und nun unterhalb der ihrer verbeamteten Kolleginnen und Kollegen liegen. Dieser Teil der "Schere" kann per Tarifvertrag geregelt werden. Die GEW will bei den Verhandlungen deshalb an diesem Punkt ansetzen.


EG 14 als Regeleingruppierung
Die Konferenzteilnehmenden sprachen sich einmütig dafür aus, die Entgeltgruppe 14 (EG 14) als Regeleingruppierung für voll ausgebildete Lehrkräfte aller Schulformen und -stufen zu fordern. Der Unterschied zur "Eckeingruppierung" EG 13 für Hochschulabsolventen, die zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften als Konsens gilt, lässt sich durch die längere Ausbildung (Referendariat plus zweites Staatsexamen) und die besondere Verantwortung im Lehrerberuf gut begründen.
 
Besonders intensiv diskutiert wurde die Frage, ob alle Tätigkeiten in der Schule grundsätzlich gleich seien und deshalb immer gleich bezahlt werden sollten. Dabei ging es nicht nur um die Frage der Behandlung von Beschäftigten mit unvollständiger Ausbildung, sondern auch um Kolleginnen und Kollegen, die eine andere, in sich geschlossene Ausbildung haben.

Die Teilnehmer verständigten sich darauf, dass es in Schule und Hochschule - wie an anderen Arbeitsstätten auch - unterschiedliche Tätigkeiten mit unterschiedlichen Qualifikationen gibt, die eine eigenständige Eingruppierung erfordern. Nicht alle Tätigkeiten werden an der vollakademisch ausgebildeten Lehrkraft orientiert und gemessen.

Gleiche Tätigkeit - gleiches Entgelt
Als Grundsatz des Beamtenstatus' müsse gelten, dass gleiche Arbeit gleich bezahlt wird. Deshalb fordert die GEW, dass Lehrkräfte mit vollwertigen ausländischen Lehrerabschlüssen genauso bezahlt werden wie ihre Kolleginnen und Kollegen mit deutschem Lehrerabschluss.

Gleiches gilt für Lehrkräfte, die nach dem Recht der DDR ausgebildet wurden und inzwischen 20 Jahre die gleiche Tätigkeit mit gleichen Erfolgen ausüben wie ihre Kollegen in den alten Bundesländern.

Eingruppierungsunterschiede, die bis heute bestehen, müssen endgültig beseitigt werden. Der Grundsatz soll für alle Bundesländer gelten, auch wenn bzw. gerade weil in Zeiten föderalistischer Kleinstaaterei die gegenseitige (Nicht-)Anerkennung der jeweiligen Lehramtsausbildung teilweise groteske Züge angenommen hat.


Recht auf Qualifizierung
Für die GEW geht es in diesen Verhandlungen auch darum, das in der Lehrerausbildung erkämpfte Qualifikationsniveau zu schützen und zu erhalten. Die Bildungsgewerkschaft fordert, dass Beschäftigte, die keine vollständige Ausbildung haben, zunächst eine Entgeltgruppe niedriger eingestellt werden als voll ausgebildete.

Sie sollen aber einen Rechtsanspruch erhalten, vom Arbeitgeber nachqualifiziert zu werden oder nach einer Bewährungszeit, die der doppelten Dauer der fehlenden Ausbildungsschritte entspricht, in die höhere Entgeltgruppe aufzurücken. Diese Regelung ist beispielsweise im europäischen Recht verankert.


"Sonstige" Lehrkräfte an Schulen
Die Diskussion um ein umfassendes Entgeltsystem für alle Lehrkräfte ist noch nicht abgeschlossen. Insbesondere für Tätigkeiten, die kein Staatsexamen erfordern, muss sie fortgesetzt werden. Diese Beschäftigtengruppe ist sehr heterogen. Sie reicht von pädagogischen Unterrichtshilfen an Förderschulen mit Erzieher- und Zusatzausbildung bis zu Fachlehrkräften an beruflichen Schulen, die z. B. Handwerksmeister mit Ausbildereignungsprüfung sind.

In dieser Gruppe unterscheiden sich Bezeichnungen, Anforderungen, Tätigkeiten und nicht zuletzt die aktuelle Bezahlung von Bundesland zu Bundesland.

Die Forderungen für diese Kolleginnen und Kollegen müssen zudem kompatibel sein mit den Forderungen der GEW für den Sozial- und Erziehungsdienst. Eine kleine Expertengruppe wird über die Sommerpause einen Strukturvorschlag ausarbeiten.


Lehrende an Hochschulen
Der GEW-Organisationsbereich Hochschule und Forschung hatte schon in der Vergangenheit klare Vorstellungen für eine Struktur der Eingruppierung der Beschäftigten in Lehre und Forschung formuliert (vgl. die Broschüre "Was sind Forschung und Lehre wert?", siehe Infokasten).

Die Hochschulvertreter machten deutlich, dass es nicht nur um die - heute für die Lehrkräfte an Schulen in Richtlinien geregelte - Tätigkeit der "Lehrkräfte für besondere Aufgaben" an Hochschulen geht, sondern um alle Beschäftigten, die in der Lehre eingesetzt sind wie wissenschaftliche Mitarbeiter, Lektoren und Tutoren.
 
Die anvisierte Entgeltstruktur korrespondiert mit der für die Lehrkräfte an Schulen aufgestellten Forderung: EG 13 für Hochschulabsolventen, EG 14 für "erfahrene" Wissenschaftler (im Sinne der europäischen Standards, d. h. Promotion oder mindestens vier Jahre Erfahrung) und EG 15 für besonders herausgehobene Tätigkeiten und Qualifikationen.

Vorbereitung auf den Herbst
Im September beginnen die Verhandlungen. Die GEW hat die Verhandlungsführung für den Bereich Lehrkräfte, dies ist vertraglich mit ver.di festgelegt. Die Verhandlungen werden für alle Bereiche parallel geführt, um ein Ausspielen zu verhindern.

Es wird nicht einfach, die Ziele, die die GEW für die Lehrkräfte formuliert hat, durchzusetzen. Wer die aktuelle Auseinandersetzung im Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes aufmerksam beobachtet, wird erkennen, dass man sich auch in Schulen und Hochschulen auf harte Kämpfe vorbereiten muss.

Außenstehende können nichts bewirken. Sympathie und moralische Unterstützung reichen nicht. Wer etwas erreichen will, muss sich in der GEW organisieren und dafür werben, dass alle anderen angestellten Kolleginnen und Kollegen das auch tun.

Interessengemeinschaften und Clubs sind an den Verhandlungen nicht beteiligt, deren Mitglieder haben keinen Einfluss auf Forderungen und Verhandlungsergebnisse. Deshalb gibt es nur eine richtige Maßnahme: Mitglied in der GEW werden!