Zum Inhalt springen

„Insgesamt ist das Studium auf jeden Fall ein Vollzeitjob“

An der Supermarktkasse sitzen oder in einer Eventlocation jobben, auf teure Hobbies verzichten und die hohe Arbeitsbelastung im Studium meistern: Die „E&W“ porträtiert vier Studierende aus West- und Ostdeutschland.

  • Carla Bumann, 22, studiert im sechsten Bachelorsemester Sozialwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf:

„Studieren ist ganz schön teuer. Zum Glück unterstützen mich meine Eltern und helfen mir dabei, das Studium zu finanzieren. Sie übernehmen die Miete im Studierendenwohnheim – das sind 250 Euro pro Monat. Ich habe noch einen alten Vertrag, der ist für den Wohnungsmarkt in Düsseldorf unschlagbar günstig. Wer heute im Wohnheim einzieht, muss schon mehr bezahlen. Und ich bekomme nochmal zusätzlich etwas über 200 Euro Taschengeld von meinen Eltern. Damit zahle ich dann den größten Teil meiner Lebensmittel.

Alles, was ich sonst noch ausgebe, muss ich mir dazuverdienen, durch die Arbeit bei einer Eventlocation: Das ist eine Hochhausetage, in der Partys, Workshops oder Schulungen von Firmen stattfinden. Ich bin vor allem für Organisationsfragen während der Veranstaltungen zuständig – wenn man so will, ist das ein etwas besserer Kellner-Job. Für mich ist wichtig, dass diese Arbeit sehr flexibel ist: Während der Prüfungsphasen kann ich etwas weniger machen, in entspannteren Wochen arbeite ich häufiger. Im Schnitt verdiene ich dort zwischen 200 und 300 Euro im Monat, und ein bisschen davon bleibt am Monatsende sogar noch übrig. Neben Miete und Essen gebe ich das meiste Geld eigentlich für Festivals und Konzerte aus – und weil die oft im Sommer sind, muss ich eben in den anderen Monaten dafür sparen.

„Ich mache diesen Job wirklich nur für das Geld.

Mir gefällt dieser Job ganz gut, es ist eine angenehme Abwechslung zum dauernden Nachdenken und zur Gedankenarbeit im Studium. Es tut gut, auch mal ein bisschen körperlich zu arbeiten und zum Beispiel Wasserkisten zu schleppen. Andererseits ist auch klar: Das ist eine reine Servicetätigkeit, die mir für später und für meinen Lebenslauf überhaupt nichts bringt. Ich mache diesen Job wirklich nur für das Geld: Zwölf Euro pro Stunde sind deutlich mehr, als ich beispielsweise als studentische Hilfskraft bekommen würde. Die Kombination aus guter Bezahlung und Flexibilität macht es für mich zum perfekten Job. Was ich in Zukunft vorhabe? In den nächsten Monaten dreht sich erst mal alles um meine Bachelorarbeit. Danach werde ich im Rahmen des Freiwilligendienstes ‚Kulturweit‘ für mindestens ein halbes Jahr nach Mexiko gehen – und dann wahrscheinlich ein Masterstudium anschließen. Aber ich weiß noch nicht, was und wo das genau sein wird.“

  • Kevin Vieth, 22 Jahre, studiert im dritten Bachelorsemester Biowissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster:

„Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung als Biolaborant gemacht und bin erst danach an die Uni gegangen. Das Studium war und ist für mich eine Art fachliche Weiterbildung – auch wenn ich in den ersten beiden Semestern viele Sachen gehört habe, die ich eigentlich schon aus der Ausbildung kannte. Ich hoffe, dass das in den kommenden Semestern noch anders wird. Wir sind ungefähr 200 Studierende im Semester, davon haben vielleicht 15 oder 20 vorher eine Ausbildung gemacht. Anerkannt wurde uns davon aber nur sehr wenig: Bei mir war das eine einzige Übung, und der Bescheid kam auch erst, als das Semester bereits halb vorbei war. Da hatte ich schon das Gefühl, dass sich die Uni die Einzelfälle nicht so richtig angeschaut hat – man ist einfach nur einer von vielen, Ausnahmen werden ungern gemacht. Grundsätzlich aber war die Entscheidung fürs Studium genau richtig. Es macht schon großen Spaß und ist ein ganz anderes Leben als vorher in der Ausbildung.

„Ich habe einen 450-Euro-Job als Kassierer in einem Supermarkt.“

In den ersten beiden Semestern habe ich noch BAföG bekommen, 250 Euro im Monat. Dann hat meine Mutter wieder angefangen zu arbeiten, sodass meine Eltern jetzt ein höheres Einkommen haben und damit leider über der BAföG-Grenze liegen. Das heißt, dass ich seit Anfang des laufenden Semesters arbeiten gehen muss. Ich habe einen 450-Euro-Job als Kassierer in einem Supermarkt. An drei Abenden pro Woche arbeite ich jeweils vier Stunden. Außerdem bekomme ich noch das Kindergeld von meinen Eltern weitergereicht und zusätzlich 200 Euro im Monat, die sie mir als Darlehen geben – das werde ich irgendwann zurückzahlen müssen. Insgesamt habe ich aktuell knapp 850 Euro im Monat zur Verfügung, damit komme ich gut klar.

Vorher, als ich noch BAföG bekommen habe, waren es nur 650 Euro. Das hat auch gereicht, obwohl man damit natürlich keine großen Sprünge machen kann. Mein Wohnheimzimmer beim Studentenwerk ist 15 Quadratmeter groß und kostet 305 Euro – ein Festpreis, und das empfinde ich als großen Vorteil: Heizung, Wasserverbrauch und Internetkosten sind schon mit drin. Es gibt also keine versteckten und schlecht zu kalkulierenden Kosten, die am Monatsende plötzlich noch bezahlt werden müssen. Im Moment bin ich ziemlich zufrieden damit, wie es läuft – nur ein bisschen mehr Sport wäre noch schön. Aber durch das Studium und die Arbeit komme ich dazu nicht so oft, wie ich es mir wünschen würde.“

  • Franzi Rasch, 28, studiert im ersten Bachelorsemester Erziehungswissenschaften und Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin:

„Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung gemacht und vier Jahre als Erzieherin gearbeitet. Vor zweieinhalb Jahren habe ich dann meinen Sohn Jonas bekommen und danach noch ein bisschen weitergearbeitet, um jetzt das Studium anfangen zu können. Dafür habe ich meinen Job gekündigt. Es war relativ sicher, dass ich BAföG bekomme. Wie hoch es genau sein würde, war bis zum endgültigen Bescheid unklar – und der kam erst am 26. Oktober, also nach Beginn des Semesters. Das war schon etwas aufregend. Jetzt erhalte ich elternunabhängiges BAföG, weil ich drei Jahre Ausbildung plus die Berufszeit habe, und Kinderzuschlag, insgesamt 865 Euro. Der zweite Finanzierungsteil, den wir brauchen, weil ich alleinerziehend bin, besteht aus Jonas’ Kindergeld und Unterhaltsvorschuss. Das sind nochmal 335 Euro. Zusammen kommen wir also auf rund 1.100 Euro. Das ist für alles Drum und Dran, mit 540 Euro Miete für unsere 2,5-Zimmer-Wohnung, ganz schön knapp. Es funktioniert nur, weil ich relativ anspruchslos bin und weder ein teures Handy brauche noch kostspielige Hobbys habe. Das einzige, an dem ich nicht spare, ist die Qualität von Jonas‘ Essen – mir ist seine gesunde Ernährung sehr wichtig.

„Es funktioniert nur, weil ich relativ anspruchslos bin.“

Im ersten Semester haben wir noch viele Pflichtveranstaltungen: In den Erziehungswissenschaften läuft es ziemlich verschult ab. Bei Europäischer Ethnologie ist insgesamt viel mehr Raum, sich seinem Interesse nach auszutoben – ich habe beispielsweise ein Tutorium über den „Aufstieg der neuen Rechten“ zusätzlich gewählt – da freue ich mich besonders drauf. Mit den Zeiten ist es allerdings etwas schwierig, weil einige Pflichtveranstaltungen bis 18 Uhr gehen, das passt mit den Betreuungszeiten in Jonas‘ Kita überhaupt nicht zusammen. Dann springen meine Eltern ein und holen ihn ab. Eine andere organisatorische Hürde ist das Textlesen: Wir müssen wahnsinnig viel lesen – ich schaffe das nur, weil ich innerhalb des Uni-Tages Pausen nutze, um das zu erledigen. Es auf abends zu schieben, wenn ich wie jetzt mit Jonas zusammen bin, funktioniert nicht – er wird supersauer und klappt das Buch immer wieder zu. Also muss ich künftig noch strukturierter sein und früher in die Uni gehen, um die Texte vorzubereiten. Insgesamt ist das Studium auf jeden Fall ein Vollzeitjob: Wenn ich zusätzlich noch jobben müsste, würde Jonas auf der Strecke bleiben, und ich würde auch keine guten Leistungen bringen können.“

  • Till Eisenberger, 22, studiert im fünften Bachelorsemester Betriebswirtschaftslehre (BWL) an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg:

„Nach drei Semestern Biotechnologie in Emden an der Nordsee wollte ich etwas anderes studieren und auch geografisch etwas Neues ausprobieren – eine neue Himmelsrichtung. Magdeburg fand ich interessant. Als ich dann für BWL angenommen wurde, bin ich einfach meinem Bauchgefühl gefolgt. Es war eine gute Entscheidung, denn das Studentenleben ist wirklich schön hier! Ich wohne allein in einer 1,5-Zimmer-Wohnung mit großer Wohnküche und zahle dafür 350 Euro warm. Das geht ganz gut, denn ich bekomme relativ viel BAföG: knapp 550 Euro im Monat, dazu kommen 190 Euro Kindergeld. Versichert bin ich noch über meine Eltern – zusätzlich hatte ich aber eigentlich immer einen Nebenjob.

„Wenn ich mir utopische Studienbedingungen vorstelle, würde ich das Studium entspannter strukturieren.“

Vor kurzem habe ich mich im Bereich Eventmanagement und Gastronomie selbstständig gemacht, weil ich damit in weniger Zeit mehr verdiene. Ich darf monatlich 425 Euro aber nicht überschreiten, damit das BAföG nicht gekürzt wird und ich in der Familienkasse bleiben kann – das sind drei bis vier lange Nächte Arbeit im Monat. Insgesamt fehlt mir eher die Zeit als das Geld. Die Arbeitsbelastung im BWL-Studium ist ziemlich hoch. Wenn man kontinuierlich etwas tut, ist das, als hätte man einen Vollzeitjob. Außerdem mache ich noch ziemlich viel nebenbei, zum Beispiel ehrenamtlich an der Uni: Ich bin im Fachschaftsrat, im Studierendenrat und bin Fachkoordinator für Fachschaftsarbeit. In meiner Freizeit spiele ich Fußball, Handball und Tischtennis, möchte meine Freunde und meine Freundin sehen. Bisher bekomme ich das ganz gut unter einen Hut. Ich will auch noch ins Ausland gehen – werde also sicher ein paar Semester länger machen müssen.

Wenn ich mir utopische Studienbedingungen vorstelle, würde ich das Studium entspannter strukturieren. Immerhin ist es mit die beste Zeit im Leben: Man ist jung, man ist noch frei, man kann viel erleben. In der Arbeitswelt später ist es dann so, dass man arbeitet, 30 Tage Urlaub hat und das war’s. Man sollte das Studieren also ausnutzen können. Dafür würde ich das Studium auseinanderziehen, es nicht so mit Kursen vollstopfen. Damit man immer etwas zu tun hat, aber dennoch genug Freizeit, etwas vom Leben mitzubekommen und nicht nur am Schreibtisch zu sitzen. Mein Traum für den Master ist, in München zu leben – eine neue Himmelsrichtung. Aber das wird vermutlich schwierig, denn der BAföG-Satz ist ja überall gleich und es wird nicht geschaut, wie hoch die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Ort sind. Mal sehen, ob es klappt.“