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Freedom at Work

Anlässlich des Europride fand am 4. und 5. August in Amsterdam unter dem Titel „Freedom at Work“ eine Konferenz von LSBTI - Gewerkschafter_innen mit Vertreter_innen aus 20 Ländern statt. Die GEW war mit einer 12-köpfigen Delegation vertreten.

Foto: Martin Helbig

Als Vertreter der gastgebenden niederländischen Gewerkschaft FNV eröffnete Ger Rolsma die Konferenz mit mehr als 100 Teilnehmer_innen aus 20 Nationen. Die stellvertretende EU-Parlamentspräsidentin Ulrike Lunacek (Österreich) musste leider kurzfristig absagen, stattdessen wurde ihre Grußbotschaft per Videostream übermittelt. Sie ermutigte die Teilnehmer_innen weiterhin aktiv für LSBTI Rechte einzutreten und dabei auch die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament zu suchen.

An zwei Tagen wechselten sich thematische Arbeitsgruppen und Impuls-Vorträge im Plenum ab. In Plenumsbeiträgen von Projektverantwortlichen aus Lateinamerika (regionale Vernetzung, mit Unterstützung der niederländischen FNV) und Südafrika (Umsetzung der starken Verfassungsrechte in die sehr andere Lebenswirklichkeit, mit Unterstützung der britischen UNISON) wurden deren Herausforderungen und Engagement deutlich.

 

„The protection of LGBT Rights is often much more granted by EU institutions than by the single governments in the EU“ (Salvatore Marra, Italien)

 

In seinem Auftaktvortrag am zweiten Konferenztag problematisierte Salvatore Marra die aus der humanitären Flüchtlingskrise erwachsende zunehmende Abschottung der EU-Länder. Die Errichtung von Grenzzäunen und Zollkontrollen wirke sich auf den Umgang mit gesellschaftlichen Minderheiten aus, so Mara. Sie beeinflusse auch die Entwicklung und den Umgang mit LSBTI Rechten. Er wies darauf hin, dass Grundwerte wie die Anerkennung gesellschaftlicher Vielfalt bereits in mehreren Fällen in Italien und anderen Ländern oft erst von europäischen Gerichten, statt von nationalen Gerichten gewährleistet würde.

 

EU-Gleichbehandlungsrecht - Die Nicht-Diskriminierung u.a. aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung ist in Artikel 13 EG-Vertrag und Artikel 21 der Grundrechte-Charta sowie der „Arbeitsplatz-Richtlinie“ 2000/78/EG festgelegt, auf die z.B. unser Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGG zurückgeht. Aufgrund der „Antirassismus-Richtlinie“ 2000/43/EG schützt das AGG auch bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen im „Massengeschäft“ vor Diskriminierung. An dieser Stelle schützt das AGG nicht nur vor Diskriminierung wegen rassistischen Gründen und ist somit „horizontal“. Auf EU Ebene fehlt diese „horizontale“ Richtlinie für die anderen Diskriminierungsgründe. Dem Vernehmen nach blockiert die Bundesregierung seit Jahren die Verbindlichkeit für andere EU-Länder durch eine abschließende „horizontale Richtlinie“ im EU-Ministerrat.

 

Für diese pro-europäischen Aspekte sowie den Eintritt für LSBTI Rechte aktiv einzutreten, bezeichnete er auch als eine Kernaufgabe der Gewerkschaften. Starke Impulse gaben auch Phyll Opuku, die Mitgründerin des Londoner Black Pride mit sehr persönlichen und überzeugenden Einsichten zum untrennbaren Zusammenhang des Kampfes gegen LSBTI-Feindlichkeit und Rassismus.

Austausch über LSBTI-Erziehung an Schulen, rechte Angriffe und gewerkschaftliche Arbeitsstrukturen

Der von der GEW organisierte Workshop wurde überwiegend von Erziehungsgewerkschafter_innen besucht, außerdem von Pflege-Ausbilder_innen. Hier zeigte sich, dass sowohl die Ansätze für LSBTI -Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit als auch die Art der Angriffe aus rechten Kreisen sich in Ländern wie Deutschland, Frankreich, Spanien und Kanada sehr ähneln. Da die rechten Gruppen zumindest in Europa gut vernetzt sind, bieten sich hier ebenfalls Vernetzung aber auch Austausch von Aktivist_innen an. Der Workshop bildete dazu den ersten Schritt.

Dass es in den meisten vertretenen Gewerkschaften eigene LSBTI -Arbeitsgruppen gibt, um die besondere Situation von LSBTI eingehen zu können, wurde im dem von der kanadischen CSN organisierten Workshop deutlich. Nur ein Kollege aus dem öffentlichen Dienst in Belgien sah das als unnötig an. Kontroverser geführt wurde die Diskussion über reservierte Gremiensitze, die einerseits als wichtig angesehen wurden, um Einfluss und Ressourcen zu sichern, andererseits aber auch Aktivist_innen binden.

Internationale LSBTI Arbeit

Die Bedeutung der Konferenz und der Arbeit an LSBTI - Themen wurde auch dadurch deutlich, dass die Generalsekretäre der beiden internationalen Gewerkschafts-Dachverbände Education International (EI), Fred van Leeuwen, und Public Services International (PSI), Rosa Panelli, für die Konferenz nach Amsterdam gereist waren.

Rosa Panelli von der PSI erklärte, sie sehe eine Verbindung zwischen der Flüchtingswelle als Folge einer humanitären Krise, und verstärkter Diskriminierung unterschiedlicher Minderheiten. Dem öffentlichen Dienst vertreten durch die Gewerkschaften komme dabei eine besonders wichtige Aufgabe bei der Bewahrung und Durchsetzung der Grund- und Menschenrechte zu, so Panelli.

Die beiden Welt-Gewerkschafts-Verbände arbeiten seit längerem auf verschiedenen Gebieten zusammen. Für die Durchsetzung von LSBTI Rechten gibt es seit Jahrzehnten gemeinsame Beschlüsse und ein stabiles Netzwerk. So etwa die Vereinbarung von 2002, im Umfeld der jeweiligen Weltkongresse ein gemeinsames LSBTI -Forum von Aktivist_innen aus Mitgliedsgewerkschaften beider Dachverbände durchzuführen. Während diese Foren 2004 in Porto Alegre, 2007 in Wien und 2011 in Kapstadt stattfanden, ist diese Art der Zusammenarbeit in den letzten Jahren leider eingeschlafen.

Beide Generalsekretär_innen betonten jedoch, dass Gewerkschaftsarbeit ohne den Einsatz für die Rechte von LSBTI am Arbeitsplatz keine Gewerkschaftsarbeit ist. Sie berichteten vom Einsatz für LSBTI in der Arbeit mit ihren Mitgliedsgewerkschaften und sicherten zu, dass es 2017 in Genf beim IÖD-Weltkongress wieder ein gemeinsames LSBTI-Forum geben wird. Als voraussichtlicher Termin stellte sich der 29. Oktober 2017 heraus.

Außerdem sagten beide Generalsekretär_innen zu, sich im Rat der Dachverbände (global unions) dafür einzusetzen, weitere Dachverbände für LSBTI-Arbeit zu gewinnen und sich in internationalen Gremien für LSBTI-Belange einzusetzen, etwa bei der internationalen Arbeitsagentur ILO im Zusammenhang mit der ILO-Arbeitsnorm 111 gegen Diskriminierung. Sie betonten aber auch, dass sie zwar unterstützen könnten, die LSBTI-Arbeit aber Aufgabe der Mitgliedsgewerkschaften sei. Sollten Aktionsgruppen in den Mitgliedsgewerkschaften ihre Unterstützung benötigen, so könnten sie sich auch direkt an den Dachverband wenden. Die Bildungsinternationale gibt einen Newsletter heraus, in dem über Aktivitäten in den einzelnen Ländern berichtet wird. Doch auch hier kann nur verbreitet werden, was aus den Mitgliedsgewerkschaften berichtet wird.

Traditionell finden die Pride-Demonstrationen in Amsterdam auf den Grachten der Stadt statt, die von den Teilnehmer_nnen auf Booten durchfahren werden. Die Zuschauer_innen verfolgen es vom Ufer aus. Die Veranstalter hatten daher den informellen Abschluss der Konferenz auf ein Boot verlegt, von dem aus die GEW-Delegation die bunten Boote der Pride-Demonstration bewundern konnte.