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Extremismus

Frauenrechte statt rechter Hetze

Die rechte Bewegung instrumentalisiert Gewalt gegen Frauen für ihre rassistischen Parolen. Eine gewerkschaftliche Tagung fordert, Feminismus und Antirassismus zusammenzudenken.

An fast jedem dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. (Foto: Pixabay / CC0)

Sie schwenken Deutschlandfahnen und tragen weiße Holzkreuze – rund 300 Männer und Frauen, die am 9. Juni einem Aufruf der AfD zu einem sogenannten Frauenmarsch in Berlin folgten. In den ersten Reihen waren einige Frauen zu sehen, dahinter vor allem Männer. Auf ihrem Transparent hieß es: „Es reicht. Wir sind kein Freiwild. Nirgendwo.“ Mit Frauenrechten oder Feminismus hatte die Demo wenig zu tun. Sondern mit purem Rassismus. Auf einer Tagung mit dem Titel „Frauen und Rechtsextremismus – ein Widerspruch?“ des gewerkschaftlichen Vereins „Mach‘ meinen Kumpel nicht an! – für Gleichbehandlung, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“ in Steinbach bei Frankfurt a. M. wurde im Juni deutlich: Dahinter steckt Methode. Gewalt gegen Frauen werde als Hilfsargument missbraucht, in Wirklichkeit gehe es um die deutsche Asylpolitik – so formulierte es die Politikwissenschaftlerin Tanja Gäbelein.

Im Aufruf zum ersten Frauenmarsch im Januar in Berlin hieß es explizit: „Täglich hören wir Nachrichten von vergewaltigten, verletzten oder ermordeten Mitbürgerinnen.“ Grund sei „die Migrationspolitik unserer Regierung, welche junge Männer aus arabischen und afrikanischen Ländern seit 2015 unkontrolliert in unser Land lässt“. Sexualisierte Gewalt, erklärte Gäbelein, werde nicht als patriarchales, sondern als „migrantisches Problem“ dargestellt. Jedes Jahr würden 150 Frauen ermordet, die meisten von Männern mit deutschem Pass. Über diese Taten rede kaum jemand. Dabei sei Gewalt gegen Frauen ein wichtiges Thema. „Da gibt es viel zu tun“, betonte Gäbelein.

Nur die nichtdeutsche Bevölkerung zu Tätern machen: Dieser offenkundige Rassismus sei spätestens seit der Silvesternacht 2015/16 in Köln zu einem wichtigen Ideologieelement der rechten Bewegung geworden, erklärte der Vorsitzende des Vereins „Mach‘ meinen Kumpel nicht an“, Giovanni Pollice. Mehrere Beispiele zeigten: Wird eine junge Frau mutmaßlich von einem Flüchtling ermordet, etwa in Kandel oder Mainz, instrumentalisiert die rechte Szene das Geschehene für Hetze gegen Islam und Einwanderung. Auch die „Identitäre Bewegung“ nutzt die Taten, um Ängste zu schüren. So verkünden Aktivistinnen in einem Video zu der Kampagne „120 Dezibel“ mit ernster Miene: „Wir sind nicht sicher, weil ihr uns nicht schützt. Weil ihr euch weigert, unsere Grenzen zu sichern.“

„Drängende gesellschaftliche und politische Probleme machen eine deutliche Aufwertung der Fächer der politischen Bildung dringend erforderlich.“ (Birgit Koch)

Die zentrale Forderung auf der Konferenz lautete: „Feminismus und Antirassismus zusammendenken.“ Der Münsteraner Soziologe Andreas Kemper erklärte am Beispiel der AfD: „Sie ist ein konzentriertes Sammelbecken des Antifeminismus.“ In der Partei vereinten sich Anhängerinnen und Anhänger von Neoliberalismus, christlichem Fundamentalismus sowie von völkischem Nationalismus. Für die neue Rechte sei die Familie die Keimzelle der Nation, sagt der Publizist. Mit Familie meinten sie die „natürliche Familie“ aus Vater, Mutter, Kind – und zwar aus der privilegierten Mittelschicht. Alle anderen Familienmodelle – wie Alleinerziehende, Patchwork, Homosexuelle – lehnten sie ab.

Gäbelein verwies auf den AfD-Slogan „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“ – was heißen solle: mehr deutsche Kinder. Am Geburtenrückgang sei der rechten Ideologie zufolge der Feminismus Schuld, ergänzte die Referentin, weil demnach Frauen lieber Karriere machten als Kinder zu bekommen. Und das Recht auf Abtreibung; die neue Rechte hetzt auch lautstark gegen Gender-Mainstreaming und Gleichstellungspolitik.

Birgit Koch, Vorsitzende der GEW Hessen, hob die Bedeutung der politischen Bildung hervor. Im Gegensatz dazu sei in ihrem Bundesland das Fach Politik und Wirtschaft jedoch zur Randerscheinung – mit nicht mehr als einer Stunde pro Woche und Jahrgangsstufe – degradiert worden. „Drängende gesellschaftliche und politische Probleme machen eine deutliche Aufwertung der Fächer der politischen Bildung dringend erforderlich.“ Außerdem sei es mit Prävention allein nicht getan. Bei organisierten Rechten mit festem Weltbild sei politische Gegenwehr erforderlich, sagte die Landesvorsitzende.