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Flüchtlingskinder rasch in den Fachunterricht integrieren

Geflüchtete Kinder und Jugendliche sollten nach Ansicht von Experten schnell in den Fachunterricht integriert werden. „In kleinen Gruppen und mit sprachsensiblem Unterricht klappt das“, sagt Barbara Schüll, die Vorkurse an Bremer Grundschulen gibt.

Barbara Schüll (59) vermittelt seit 15 Jahren in sogenannten Vorkursen an Bremer Grundschulen Grundlagen der deutschen Sprache. Ihre Schülerinnen und Schüler sind sechs bis elf Jahre alt und kommen aus unterschiedlichen Ländern. Im Interview mit der GEW-Onlineredaktion schildert sie, was aus ihrer Sicht für eine gelungene Integration junger Flüchtlinge erforderlich sei.

GEW: Was sind die größten Herausforderungen beim Unterrichten von geflüchteten Kindern?

Barbara Schüll: Im Vorkurs arbeiten wir mit keinem Curriculum, sondern vermitteln einen Grundwortschatz – das ist mal mehr und mal weniger schwierig. Dabei macht es keinen Unterschied, wo die Kinder herkommen. Manche haben Probleme damit, ihre Heimat zu verlassen, und sind dann am Anfang schwer für Bildung zu begeistern. Kompliziert wird es, wenn Jungen und Mädchen dabei sind, die noch nie in einer Schule waren und die erst alphabetisiert werden müssen. Da ist Herausforderung das falsche Wort, das geht dann schon eher in Richtung Überforderung. Kindern eine neue Sprache zu vermitteln und ihnen gleichzeitig das Lesen und Schreiben beizubringen, ist kaum zu machen. Wenn dann auch noch Verhaltensstörungen dazukommen, ist es ein riesiger Spagat, allen gerecht zu werden und dabei das Arbeitsziel nicht aus den Augen zu verlieren.

GEW: Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht das Lernen der deutschen Sprache im Vergleich zum Fachunterricht?

Schüll: Es ist wichtig, dass sich die Kinder und Jugendlichen zuerst einen passiven Wortschatz aneignen. Aber sie lernen die Sprache so richtig erst in der Klasse, beim Spielen mit anderen Kindern oder im Sportverein. Darum sollten sie auch so schnell wie möglich in den Fachunterricht integriert werden. Auch wenn ihnen am Anfang die Vokabeln fehlen und sich manche zuerst überfordert fühlen: Die Kinder müssen im Unterricht Erfahrungen machen und dabei die Wörter lernen, die zu diesen Erfahrungen passen. Das braucht Zeit und Geduld, aber in kleinen Gruppen und mit sprachsensiblem Unterricht klappt das. Klar ist, dass das Deutschlernen nach dem Vorkurs nicht abgeschlossen ist. Wir fordern deswegen schon lange eine Sprachförderung über den Vorkurs hinaus.

GEW: Wie müssen sich die Rahmenbedingungen ändern, damit Schulen die Geflüchteten optimal integrieren können?

Schüll: Fest steht doch, dass es gute Bildung nicht im Sparprogramm geben kann – das gilt für die Integration genauso wie für alle Bereiche des Bildungssystems. Geflüchtete Kinder und Jugendliche brauchen dasselbe wie alle anderen auch: Zeit, Platz und Ansprechpartnerinnen und -partner. Die Politik muss noch richtig viel Geld in die Hand nehmen, um dafür die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das können die Länder allein nicht schaffen, da muss auch der Bund in die Verantwortung gehen.

Barbara Schüll (Foto: Anne-Katrin Wehrmann)