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Exzellenzinitiative: Kritik von Imboden-Kommission an Wissenschaftskarrieren

GEW fordert Kurswechsel in Wissenschaftsfinanzierung

Die GEW fordert einen Kurswechsel in der Hochschulfinanzierung.

Die von dem Schweizer Physik-Professor Dieter Imboden geleitete internationale Expertenkommission der Evaluation der Exzellenzinitiative hat die Ausgestaltung der Karrierewege sowie Qualifizierungs-, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im deutschen Wissenschaftssystem kritisiert und der Exzellenzinitiative bescheinigt, die Probleme nicht gelöst, sondern teilweise verschärft zu haben. Die GEW hat Bund und Länder zu einem Kurswechsel in ihrer Politik der Wissenschaftsfinanzierung aufgefordert.

Zwar sei durch die Exzellenzinitiative eine große Zahl an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern an den Universitäten beschäftigt worden, heißt es im Bericht der Imboden-Kommission. "Dieses hat die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses - inklusive der Beteiligung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb - allerdings insgesamt nicht nennenswert verbessert, sondern die endgültige Entscheidung über eine akademische Karriere eher zu höherem Alter verschoben", lautet das ernüchternde Fazit der Expertenkommission (S. 29 des heute veröffentlichten Berichts).

Die "langdauernde Anstellung von Personen im PostDoc-Stadium auf mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Anstellungen ist problematisch", kritisiert die Kommission (S. 26). "Nicht ganz frei von Zynismus" sei, dass sich viele junge Menschen darauf einließen, in der Hoffnung auf eine akademische Karriere "die produktivsten Jahre ihres Lebens auf schlecht bezahlten und befristeten PostDoc-Stellen zu verbringen", obwohl sich danach "ihre Vermittelbarkeit in den nicht-akademischen Arbeitsmärkten dramatisch verschlechtern kann". Es gebe "Hinweise darauf, dass sich Frauen durch solche Bedingungen leichter von einer wissenschaftlichen Karriere abschrecken lassen als Männer".

Die Exzellenzinitiative habe diese Probleme nicht gelöst, sondern im Gegenteil "sogar kontraproduktiv" gewirkt (S. 3). Tenure-Track-Modelle seien im Zuge der Exzellenzinitiative nur "in sehr begrenztem Umfang" etabliert worden, insgesamt seien "in erster Linie weitere befristete Stellen" geschaffen worden, kritisiert die Imboden-Kommission (S. 28).

Gleichwohl kommt die Expertenkommission insgesamt zu einer positiven Beurteilung der Exzellenzinitiative. In Übereinstimmung mit dem bereits im Dezember 2014 von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern getroffenen Entscheidung empfiehlt die Kommission, die Exzellenzinitiative "mindestens im selben Umfang", also mit mindestens 500 Millionen Euro jährlich, fortzusetzen. Dies obwohl die Imboden-Kommission auch die Nachwuchs-Problematik ambivalent bewertet. So hätten die Exzellenz-Cluster zwar beeindruckende Publikationsleistungen erbracht, es sei aber unklar, inwieweit die universitären Forschungsschwerpunkte durch die Exzellenzförderung neu geschaffen oder einfach nur sichtbar gemacht worden seien.

Negative Auswirkungen bescheinigt die Expertenkommission der Exzellenzinitiative auch, was ihre Auswirkungen auf die Lehre angeht: In der Forschung erfolgreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden durch die Exzellenzinitiative damit belohnt, von Lehraufgaben befreit zu werden. "Das erhöht die Lehrverpflichtung ihrer Kollegen/innen und reduziert den Kontakt mit den Studierenden, die dadurch weniger Gelegenheit haben, von den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitieren." (S. 24)

Konkret schlägt die Imboden-Kommission vor, die "Exzellenzinitiative II" künftig mit zwei Förderlinien fortzusetzen. Eine "Förderlinie A - Exzellenzcluster II" soll die Clusterförderung fortsetzen, aber vom Zuschnitt her offener sein, um der Benachteiligung einzelner Fächer oder "kleinerer und geografisch dislozierter Universitäten" entgegenzuwirken (S. 3). Der SPD-Vorschlag, dabei auf regionale Verbünde zu setzen, wird explizit nicht aufgegriffen: "Regionale Zusammenarbeit muss allein aus wissenschaftlicher Sicht besondere Vorteile bieten" (S. 4). Die "Förderlinie B - Exzellenzprämie" soll die bisherige Förderlinie "Zukunftskonzepte" ersetzen. Die "zehn besten Universitäten" sollen künftig "nicht auf Antrag, sondern allein aufgrund der vergangenen Leistungen" pro Jahr eine Prämie von 15 Millionen Euro erhalten. Die bisherige Förderlinie "Graduiertenschulen" soll nicht fortgesetzt werden. Um mehr Zeit für die Ausgestaltung des Nachfolgeprogramms zu gewinnen, empfiehlt die Kommission, die Laufzeit aller Projekte der jetzt laufenden Exzellenzinitiative um zwei Jahre, also bis 2019, zu verlängern.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht sich durch die kritische Analyse der Imboden-Kommission auf der einen Seite in ihrer Kritik an steinigen Karrierewegen und unfairen Beschäftigungsbedingungen bestätigt. "Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Laufzeiten - die Exzellenzinitiative hat nicht nur nichts zur Lösung dieser Strukturprobleme beigetragen, sondern sie sogar verschärft. Es ist ein falscher Ansatz, immer wieder Milliarden Euro für eine begrenzte Zeit ins Wissenschaftssystem zu pumpen, aber überhaupt keinen Wert auf die Nachhaltigkeit der geförderten Strukturen zu legen", kritisierte der stellvertretende Vorsitzende und Hochschulexperte der GEW, Andreas Keller.

Auf der anderen Seite zeigte sich die GEW enttäuscht von der Empfehlung der Kommission, die Exzellenzinitiative fortzusetzen. "Da Bund und Länder bereits vor der Arbeit der Imboden-Kommission festgelegt haben, dass die Exzellenzinitiative weiterlaufen soll, war eine ergebnisoffene Evaluation gar nicht mehr möglich. Kein Wunder, dass die Kommission trotz ambivalenter Ergebnisse zum gleichen Ergebnis kommt. Ein 'Weiter so' ist aber genau das falsche Signal", kritisierte der GEW-Vize.

Keller wiederholte zum einen seine Forderung, dass Bund und Länder vor der Entscheidung über die Fortsetzung der Exzellenzinitiative die Weichen für eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen stellen müssten. "Wir brauchen einen Kurswechsel in der Wissenschaftsfinanzierung. Der Bund darf den Ländern bei der Finanzierung der Hochschulen unter die Arme greifen. Bund und Länder sollten diese Option endlich nutzen, um die Grundlagen für mehr Dauerstellen und damit einen Ausbau der Hochschulen sowie eine bessere Betreuungsrelation zu schaffen." Zum anderen forderte er, dass ein neues Bund-Länder-Programm gezielt Anreize für eine nachhaltige Personalstruktur, verlässliche Karrierewege und stabile Beschäftigungsbedingungen setzen müsse. Er erinnerte an den von der GEW 2013 im Köpenicker Appell gemachten Vorschlag, ein Bund-Länder-"Förderprogramm für verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft" aufzulegen, das die Einrichtung zusätzlicher Juniorprofessuren oder anderer Postdoc-Stellen fördert, wenn diese mit einem Tenure Track ausgestattet sind und von der jeweiligen Einrichtung auf Dauer weiter finanziert werden.

Auf ihrem 7. Follow-up-Kongress zum Templiner Manifest am 21. April 2016 in Berlin zum Thema "Her mit der Milliarde! Erwartungen an einen Pakt für verlässliche Karrierewege in der Wissenschaft" wird die GEW ihre Vorschläge zur Ausgestaltung eines solchen Programms präsentieren.