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Entfristungsoffensive: Ein Check der Wahlprogramme und Beschlüsse der Parteien

Die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen und lehren auf befristeten Stellen. Die GEW fordert 50.000 zusätzliche Dauerstellen und 5.500 Tenure-Track-Professuren. Wie reagiert die Politik darauf?

9 von 10 Wissenschaftlerinnen sind befristet angestellt. (Foto: Kay Herschelmann)
  • Zuversichtlich - die CDU

Das CDU-Wahlprogramm lag bis Redaktionsschluss dieser "E&W"-Ausgabe noch nicht vor. Die Arbeitsgemeinschaft Bildung und Forschung der Unions-Fraktion im Bundestag hatte jedoch im Dezember 2016 ein 45-seitiges Ideenpapier zur Zukunft von Bildung und Forschung vorgestellt. Der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses widmen die Autoren ein eigenes Kapitel - dessen Neuigkeitswert allerdings gering ist. Sie verweisen auf verabschiedete Instrumente wie die Neufassung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und das Bund-Länder-Programm für 1.000 neue Professuren.

Interessant ist jedoch, dass die Union überzeugende Personalentwicklungskonzepte mit integrierten Gleichstellungsmaßnahmen künftig zur Fördervoraussetzung machen will. Gleichstellung sei aber nicht zu verwechseln mit festen Frauenquoten, erläutert Alexandra Dinges-Dierig, CDU-Mitglied des Bildungsausschusses im Bundestag. Zur Forderung der GEW nach einer Entfristungsoffensive verweist sie auf die Verantwortung der Länder. "Es ist an der Zeit, dass sich die Länder auf andere Laufbahnordnungen einigen. Es ist offensichtlich, dass im Bereich der wissenschaftlichen Angestellten eine große Lücke klafft." Dinges-Dierig erinnert an die 1,17 Milliarden Euro, um die der Bund die Länder bei den BAföG-Ausgaben pro Jahr entlastet hat. Von diesem Geld könnten die Länder Tausende wissenschaftliche Beschäftigte dauerhaft finanzieren.

  • Grundsätzlich einverstanden - die SPD

Zur Entfristungsoffensive sagt der langjährige SPD-Bildungsexperte im Bundestag, Ernst-Dieter Rossmann, der "E&W": "Dass es mehr Dauerstellen auf Basis einer besseren Grundfinanzierung geben muss, ist in der SPD unstrittig." Rossmann verweist auf den Zukunftsvertrag für Wissenschaft und Forschung, den seine Partei im Februar dieses Jahres vorgestellt hat. Der Zukunftsvertrag schlägt unter anderem eine "Qualitätsstrategie für die Hochschullehre" vor, mit der sich der Bund an der Finanzierung der Lehre an Hochschulen beteiligt. 3,3 Milliarden Euro sollen jährlich fließen - und zwar ab 2021. "Diese neue Planungssicherheit eröffnet Chancen für eine bessere Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses." Sie erlaube, "auch stärker auf unbefristet beschäftigtes Personal zu setzen". Konkrete Angaben zur Zahl der unbefristeten Stellen scheuen die Sozialdemokraten, auch Rossmann sagt: "Wir sollten den Hochschulen keine Quoten vorgeben."

Im Entwurf für ein Wahlprogramm, den die SPD im Mai vorgelegt hat, heißt es ebenso unverbindlich, man werde die Grundfinanzierung der Hochschulen stärken und die befristeten Mittel der Wissenschafts- und Hochschulpakte in eine verlässliche und dauerhafte Finanzierung überführen. Außerdem wolle man Anreize für verlässliche und dauerhafte Karrierewege geben.

  • Begeistert - die Linkspartei

Die Linkspartei geht sogar noch über die Forderungen der GEW hinaus. Sie schlägt vor, 100.000 unbefristete Stellen einzurichten, die der Bund mit einem Anreizprogramm fördert. Für jede unbefristete Neueinstellung sollen die Hochschulen einen Bonus von 10.000 Euro pro Jahr erhalten, die Stellen würden jeweils für zwei Jahre bezuschusst. "In den kommenden zehn Jahren könnte auf diese Weise die knappe Hälfte des hauptberuflich angestellten wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen auf Dauerstellen gelangen. Notwendig wären für dieses Programm Mittel in Höhe von durchschnittlich 200 Millionen Euro jährlich", heißt es in einem Antrag der Links-Fraktion, den diese im Februar 2017 in den Bundestag eingebracht hat. Die Förderung soll nicht auf bestimmte Personalkategorien eingeschränkt werden: "So wären Juniorprofessuren mit Tenure Track, klassische Mitarbeiter_innenstellen bzw. Hochschuldozent_innen förderfähig."

Im Wahlprogramm, das die Linke auf ihrem Parteitag im Juni verabschiedet hat, taucht auch das 100.000-Stellen-Programm auf. Dort heißt es: "Schluss mit den Kettenbefristungen. Das Sonderbefristungsrecht für wissenschaftliches Personal unterhalb der Professur wollen wir abschaffen. Wir fordern ein bundesfinanziertes Anschubprogramm, mit dem 100 000 unbefristete Stellen geschaffen bzw. entfristet werden."

  • Zustimmend - die Grünen

In der Analyse sind sich die Grünen mit der GEW einig. "Das Befristungsunwesen an Hochschulen und in der Wissenschaft ist skandalös", sagt Kai Gehring, Obmann der Grünen im Bildungsausschuss des Bundestags. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bräuchten "endlich bessere Arbeitsbedingungen und klare Karriereperspektiven." Das Programm für 1.000 Tenure-Track-Professuren an Universitäten, die sich Bund und Länder zum Ziel gesetzt haben, sei allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein und lasse zudem die Fachhochschulen völlig außen vor. Auch das novellierte Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist nach Ansicht Gehrings mangelhaft.

In ihrem Wahlprogramm fordern die Grünen "ein Bund-Länder-Programm für Nachwuchsstellen und eine weitere Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes". Bereits 2015 hatten sie einen Antrag für ein solches Programm mit 10.000 zusätzlichen Nachwuchsstellen in den Bundestag eingebracht. Kosten für den Bund: 500 Millionen Euro pro Jahr. Außerdem wollen die Grünen die seit zwei Jahren geltende Grundgesetzänderung im Bereich der Wissenschaft nutzen, um den Bund stärker an der Grundfinanzierung der Hochschulen zu beteiligen. Die Mittel aus den derzeitigen Pakten sollen im System bleiben. "Auch nach 2020 müssen Bund und Länder gemeinschaftlich Studienplätze finanzieren und bessere Studien- und Arbeitsbedingungen an den Hochschulen schaffen", sagt  Gehring.