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BAG-Urteil zur Stufenzuordnung

Viele befristet beschäftigte Kolleginnen und Kollegen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen können jetzt mit einer höheren Einstufung in der Entgelttabelle des öffentlichen Dienstes und Gehaltsnachzahlungen rechnen.

Versäumen Sie nicht, Ihre Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen! Als Mitglied der GEW, der Bildungs- und Wissenschaftsgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund, können Sie dabei die Unterstützung Ihres Landesverbands in Anspruch nehmen. Die Mitgliedschaft in der starken Solidargemeinschaft GEW zahlt sich aus.

Vielleicht ist es Ihnen beim TV-Duell von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auch aufgefallen: Bildungs- und Wissenschaftspolitik waren praktisch kein Thema. "Jenseits von Fahrrad- und Halsketten war das für mich der Aufreger am Sonntagabend", so Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der GEW und Leiter des Vorstandsbereich Hochschule und Forschung. Das ist beim SommerGEWitter der GEW Baden-Württemberg am 5. September garantiert anders. Wer keine Zeit hat, unsere vielen Diskussionsveranstaltungen vor Ort zu besuchen, kann sich vielleicht am Donnerstag online einklinken.

Bundesarbeitsgericht sorgt für Anerkennung von Restzeiten bei Stufenzuordnung – jetzt Ansprüche geltend machen

Wer einen Arbeitsvertrag mit einer Hochschule oder Forschungseinrichtung hat, auf den der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) angewandt, profitiert vom Prinzip des Stufenaufstiegs. Die berufliche Erfahrung, die die Kollegin oder der Kollege im Laufe der Zeit sammelt, wird mit einem Aufstieg in eine höhere Stufe der Entgelttabelle honoriert – das bedeutet ein höheres Gehalt. Entsprechendes gilt für den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD).

Viele befristet Beschäftigte wurden beim Stufenaufstieg bisher benachteiligt oder gingen ganz leer aus, indem ihre Arbeitgeber bei Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags Restlaufzeiten aus vorausgegangenen Arbeitsverträgen nicht anerkannten. Dabei bezogen sie sich auf § 16 Absatz 2 TV-L. Diese Vorschrift bestimmt, dass die Beschäftigten bei Einstellung der Stufe 1 zugeordnet werden, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt (Satz 1). Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber, sind diese Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung zu berücksichtigen (Satz 2). Als „Einstellung“ wurde dabei bisher auch der erneute Abschluss eines Arbeitsverhältnisses im unmittelbaren Anschluss an ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber angesehen. Dies führte dazu, dass bei erneuter Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu demselben Arbeitgeber Berufserfahrungen von weniger als einem Jahr nicht berücksichtigt wurden. Betrug die Erfahrung beispielsweise elf Monate, so begann die Stufenlaufzeit in der Stufe 1 im neuen Arbeitsverhältnis wieder mit null, der Aufstieg in Stufe 2 war also erst nach 23 statt nach zwölf Monaten möglich – wenn bis dahin nicht wieder ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde…

Dieser Praxis hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt einen Riegel vorgeschoben und damit seine frühere Rechtsprechung korrigiert. Im konkreten Fall war der Kläger als wissenschaftlicher Mitarbeiter aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse seit dem 1. Mai 2008 für eine Hochschule tätig. Noch während des Zeitraums der letzten Befristung schloss die Hochschule mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter am 18./19. März 2009 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. April 2009 bis 31. März 2011 ab, der den vorherigen Arbeitsvertrag aufhob. Die Hochschule zahlte dem wissenschaftlichen Mitarbeiter bis zum 31. März 2010 weiter nur ein Entgelt aus der Stufe 1 seiner Entgeltgruppe, weil sie die Erfahrungszeiten aus den vorausgegangenen Arbeitsverträgen nicht anerkannte. Dagegen klagte der wissenschaftliche Mitarbeiter und forderte eine Vergütung aus der Stufe 2 bereits ab dem 1. Mai 2009 – zu diesem Zeitpunkt konnte er eine ununterbrochene Tätigkeit von einem Jahr nachweisen.

Zu Recht, wie jetzt das Bundesarbeitsgericht entschieden hat. Bei einer erneuten Einstellung von Beschäftigten müssen die Arbeitgeber bei der Stufenordnung die Berufserfahrung anrechnen, die die Beschäftigten in früheren befristeten Arbeitsverhältnissen bei demselben Arbeitgeber erworben haben, stellt das Erfurter Gericht klar. Die neue Rechtsprechung hat zur Folge, dass die zum Einstellungszeitpunkt vorhandene Restlaufzeit einer einschlägigen Berufserfahrung auf die Stufenlaufzeit anzurechnen ist, die Stufenlaufzeit darf mit dem neuen Arbeitsvertrag nicht mehr auf null gesetzt werden.

WICHTIG: Betroffene Beschäftigte können jetzt die sich aus der bisher längeren Verweildauern in der niedrigeren Stufe ergebende Entgeltverlust innerhalb der Ausschlussfrist des § 37 TV-L, also innerhalb von sechs Monaten, beim Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Das trifft analog auf Beschäftigte zu, für deren Arbeitsverträge der TVöD angewandt wird. GEW-Mitglieder können dabei die Unterstützung ihrer Gewerkschaft in Anspruch nehmen: Sie erhalten bei der Rechtsschutzstelle ihres Landesverbands ein entsprechendes Musterschreiben.

Wissenschaftszeitvertragsgesetz: Video der Bundestagsanhörung online

Am 12. Juni 2013 fand im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags die Anhörung zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz statt. Mit dabei war GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller. Die Videoaufzeichnung der gesamt Anhörung (2:09 Stunden) ist jetzt online abrufbar. Mit dem Parlamentsbeschluss vom 28.06.2013 hat das Plenum des Bundestages dann zumindest einige Impulse der GEW aufgegriffen, allerdings die von der GEW geforderte Gesetzesänderung abgelehnt. Die GEW bleibt am Ball und wird dafür sorgen, dass sich der neu gewählte Bundestag erneut mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz befasst.