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7. Follow-up-Kongress: Es geht um mehr als Geld

"Her mit der Milliarde!" – Mit diesem Aufruf hatte die GEW zum 7. Follow-up-Kongress des Templiner Manifests für gute Arbeit in der Wissenschaft eingeladen. Doch es ging um mehr als finanzielle Forderungen.

2010 hatte die GEW mit dem Templiner Manifest den Aufschlag zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen gemacht. 2013 folgte das Aktionsprogramm zur Umsetzung und 2015 ein konkreter Gesetzentwurf zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Am 21. April 2016 zog die GEW ihr Resümee: Es ist nicht alles gut, aber einiges besser. Auch Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft diskutierten über die Zukunft der Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft. 

Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der GEW und Hochschulexperte, hob zu Beginn des 7. Follow-up-Kongresses zum Templiner Manifest am 21. April in Berlin hervor, dass die Rechtsposition der Beschäftigten durch die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gestärkt wurde. Allerdings blieben viele Verbesserungen nach wie vor vage. Das Ziel also, so Keller, sei klar: Die Umsetzung des Gesetztes muss aktiv begleitet werden!

Fünf-Punkte-Programm – Fünf Milliarden Euro notwendig

Im Rahmen des von der GEW beschlossenem Fünf-Punkte-Programms zur Durchsetzung des neuen Befristungsrechts in der Wissenschaft machte GEW-Vize Keller sich insbesondere für verlässliche Karrierewege stark: "Wir brauchen an den Universitäten zusätzlich 5.000 Tenure-Track-Professuren. Nur dann kann der Bedarf an zusätzlichen Hochschullehrerinnen und -lehrern gedeckt werden. Und nur so können Bund und Länder einen wirksamen Impuls für die Schaffung verlässlicher Karrierewege geben." Keller bezifferte die Kosten für die Professuren inklusive einer aufgabengerechten Ausstattung auf rund fünf Milliarden Euro. Vier Milliarden Euro mehr, als die von Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) versprochene eine Milliarde Euro für den geplanten Nachwuchspakt von Bund und Ländern. Wanka hatte zuvor angekündigt, 1.000 Tenure Track Stellen mit dem Nachwuchspakt schaffen zu wollen.

Basis für Kellers Forderungen sind Berechnungen von Dr. Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg, die sie unter dem Titel „Anforderungen an eine aufgaben- und qualitätsgerechte Ausstattung der Universitäten mit wissenschaftlichem Personal und Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung eines Bund-Länder-Programms" vorstellte. Burkhardt belegte das persönliche Schicksal vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Das Betreuungsverhältnis verschlechtere sich konstant, der Anteil befristet Beschäftigter erhöhe sich und der Anteil von Drittmitteln steige ebenfalls stetig. "Der staatliche Auftrag zu forschen und zu lehren wird zu 60 Prozent von Trägern und Dritten finanziert. Das schlägt sich in den Beschäftigtenverhältnissen nieder", so Burkhardt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Zahl der Professuren an Universitäten von derzeit rund 24.000 bis zum Jahr 2026 auf rund 42.000 erhöht werden müsse – wenn das Betreuungsverhältnis zwischen Professuren und Studierenden von derzeit 1:70 auf 1:40 verbessert wird. Das hatte der Wissenschaftsrat bereits 2008 empfohlen.

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, der Nachwuchspakt ein weiterer

Steffen Krach (SPD), Stattssekretär für Wissenschaft in Berlin stellte sich ebenfalls den Fragen der Gewerschafterinnen und Gewerkschafter und verteidigte den Nachwuchspakt von Bund und Ländern. "Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, der Nachwuchspakt ist ein weiterer", so Krach. Es gehe dabei nicht nur um Tenure Track Stellen, sondern auch um Konzepte der Personalentwicklung. Dennoch musste auch der Staatssekretär zugeben, dass bei den Kosten für die 1.000 geplanten Tenure Track Stellen nicht viel zusätzlicher Spielraum für weitere Verbesserungen im Befristungsunwesen der Wissenschaft möglich sei. Krach bekräftigte aber die Vergabe von Mitteln aus dem Nachwuchspakt nach einem Verteilungsschlüssel. Es sei wichtig, keine Regionen abzuhängen und "hinten runter fallen zu lassen". Der Kritik, durch einen regionalen Vertelungsschlüssel gute Beschäftigungsbedingungen aus dem Fokus zu nehmen, entgegnete Krach: "Gute Konzepte müssen vorgelegt werden". Dies stehe "eindeutig im Entwurf", so der Staatssekretär.

Am Freitag, 22. April, wird die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern über die Zukunft der Exzellenzinitiative, am 20. Mai über die Ausgestaltung des geplanten Programms für den wissenschaftlichen Nachwuchs beraten. Der Nachwuchspakt soll 2017 in zwei Phasen an den Start gehen. 

Es geht nicht nur ums Geld

Die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler machten jedoch eines besonders deutlich: Es kann nicht nur ums Geld gehen. Mit zusätzlichen Mitteln sei es nicht getan, mahnte auch GEW-Vize Keller. Es müssten vor allem qualitative Anforderungen an das von Bund und Ländern geplante Nachwuchsprogramm gestellt werden.  Zusätzliches Geld kann, so waren sich die Diskutanten einig, nur dann wirkliche Veränderungen bringen, wenn auch die Personalstruktur verändert wird. Dazu gehört vor allem die Frage nach Chancengleichheit.

An konkreten Ratschlägen für die Praxis mangelte es nicht. Dr. Juliane Brauer, Mitinitiatorin des Marbacher Manifests „Jung, weiblich, exzellent – ohne Perspektiven“ forderte vom Nachwuchspakt, Tenure Track Stellen strikt nach einer Quote von 50% für Frauen zu vergeben. Sahra Damus, Gleichstellungsbeauftragte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) unterstützte die Forderung, da die Frauenquote insbesondere bei gut bezahlten wissenschaftlichen Positionen sehr gering sei. „Unser Wissenschaftssystem kann es sich dauerhaft nicht leisten, die Hälfte unserer Gesellschaft auszuschließen“, sagte GEW-Hochschulexperte Keller zum Abschluss.

Der 7. Follow-up-Kongress hat gezeigt: Das neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz macht vieles besser, aber nicht alles gut. Es gibt noch Nachholbedarf – die GEW bleibt mit ihrem Fünf-Punkte-Programm am Ball!