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Estland

Digitale Vorreiter

In Sachen Digitalisierung hat Estland in den vergangenen Jahrzehnten Maßstäbe gesetzt. Wie äußert sich das in den Schulen des Landes? Ein Blick hinter die Kulissen.

„Bei den computergestützten Tests wissen die Jugendlichen sofort, was zu tun ist, ohne sich erst orientieren zu müssen“, sagt Christian Ohler, Abteilungsleiter am Deutschen Gymnasium in Tallinn. (Foto: Anne-Katrin Wehrmann)

Die überraschende Nachricht gleich vorweg: „Zu einem großen Teil nutzen wir im Unterricht Hefte und Stifte.“ Das sagt Alexander Voss, stellvertretender Leiter der Deutschsprachigen Abteilung am Deutschen Gymnasium in Tallinn. Estland gilt als digitales Musterland Europas, fast 100 Prozent aller staatlichen Dienstleistungen sind hier online verfügbar: An einer Schule in der Hauptstadt würde man eher erwarten, dass Tablets und Co. eine noch größere Rolle im Unterricht spielen. Jedoch: „Wir machen nicht blind alles, nur weil es mit Digitalisierung zu tun hat“, betont Voss.

So habe es vor vier Jahren die Möglichkeit gegeben, für alle Schülerinnen und Schüler mobile Endgeräte anzuschaffen und komplett von Papier auf digital umzustellen – der damalige Schulleiter habe sich allerdings aus pädagogischen Gründen dagegen entschieden. Stattdessen gibt es nun außer einem Computerraum auch mehrere Rollwagen mit Tablets und Notebooks zur projektbezogenen Nutzung, die Lehrkräfte bei Bedarf für ihre Klassen buchen können. „In Deutschland denkt man viel vom Endgerät aus, weniger vom Nutzen“, meint Voss. „Da gehen wir hier pragmatischer an die Dinge heran.“

„Bei den computergestützten Tests wissen die Jugendlichen sofort, was zu tun ist, ohne sich erst orientieren zu müssen.“ (Christian Ohler)

Insgesamt rund 1.000 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 12 besuchen das Tallinna Saksa Gümnaasium (TSG), das als einzige Schule im gesamten Baltikum das deutsche Abitur anbietet. Von den 32 Kindern, die jedes Jahr in der 7. Klasse in der Deutschsprachigen Abteilung starten, schaffen in der Regel 20 bis 25 fünf Jahre später neben dem estnischen auch den deutschen Abschluss. Weil der Umgang mit digitalen Medien in Estland von klein auf gang und gäbe ist, gibt es auch an den Schulen im Land keinerlei Berührungsängste. „Das gilt für die Kinder und Jugendlichen genauso wie für die Lehrkräfte“, macht Abteilungsleiter Christian Ohler deutlich. Als Beispiel nennt er die PISA-Studie, bei der Estland jüngst im europäischen Vergleich die Spitzenposition innehatte: „Bei den computergestützten Tests wissen die Jugendlichen sofort, was zu tun ist, ohne sich erst orientieren zu müssen.“

Digitales Klassenbuch.

Fester Bestandteil des Schulalltags ist eKool („eSchule“), eine vor rund 20 Jahren in Estland entwickelte Schulmanagement-Plattform, die alle Lehrkräfte ebenso selbstverständlich nutzen wie die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern. Die Software, die auch als App verfügbar ist, fungiert als digitales Klassenbuch: Hier werden nicht nur Hausaufgaben, Noten und individuelle Rückmeldungen vermerkt, sondern auch Zusatzmaterialien und Prüfungstermine eingestellt. Wer zum Beispiel krankheitsbedingt zu Hause bleiben muss, kann sich informieren, was im Unterricht gelaufen ist. Die Eltern kommunizieren über eKool mit den Lehrerinnen und Lehrern und können auf diesem Weg auch Entschuldigungen schicken – oder die App so einstellen, dass sie benachrichtigt werden, wenn ihr Kind mehrere Stunden nicht am Unterricht teilgenommen hat. Bei großen Fehlzeiten gehen Meldungen auch an die Schulpsychologin, die dann das Gespräch mit der Klassenleitung und den Eltern sucht.

Ein digitaler Unterrichtstag pro Woche

Voss gehört zu den Lehrkräften, die regelmäßig Mobiltelefone im Unterricht nutzen. „Zum Beispiel für Recherchen oder kleinere Textaufgaben“, erzählt er. Es gebe aber auch Kolleginnen und Kollegen, die alle Handys vor Unterrichtsbeginn einsammelten. „Wir haben hier einfach die Flexibilität, in alle Richtungen zu gehen“, erläutert Voss. „Das gilt auch für die digitalen Lehrbücher, mit denen manche arbeiten und andere nicht.“ Die grundsätzliche Verfügbarkeit digitaler Unterrichtsmaterialien, vielfältige Erfahrungen mit digitalen Medien, eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur im Land und eine generell positive Haltung zur Digitalisierung in allen Bevölkerungsschichten: Vor diesem Hintergrund konnten estnische Schulen schnell reagieren, als der Präsenzunterricht während der Corona-Pandemie gestoppt werden musste. „Ab dem zweiten Tag lief der digitale Unterricht“, berichtet Ohler. „Wir haben keine Arbeitsblätter kopiert und verteilt – und wir hatten keine Eltern mit Bedenken.“

„In Estland wird grundsätzlich viel getestet und ausprobiert, wir haben hier seit der Unabhängigkeit Anfang der 1990er-Jahre eine echte Testmentalität entwickelt.“ (Karel Rundu)

Manche Schulen haben auch nach Ende der Pandemie einen digitalen Unterrichtstag pro Woche beibehalten, um die Selbstlernkompetenz der Kinder und Jugendlichen zu fördern. „In Estland wird grundsätzlich viel getestet und ausprobiert“, sagt Kaarel Rundu, „wir haben hier seit der Unabhängigkeit Anfang der 1990er-Jahre eine echte Testmentalität entwickelt.“ Rundu ist der frühere Schulleiter des TSG, der sich vor vier Jahren gegen den flächendeckenden Einsatz mobiler Endgeräte entschied. Heute ist er Leiter des Bildungsamtes von Tallinn und als solcher für alle Schulen in der Stadt zuständig. Im gesamten Land habe Bildung einen hohen Stellenwert: Für die meisten Kinder und Jugendlichen sei die Schule ein Lebensort, an dem sie sich gerne aufhielten. „Wir haben hier keine Bodenschätze, darum mussten wir etwas anderes tun“, macht er deutlich. „Bildung war für uns der Weg raus, auf verschiedenen Ebenen.“

Erik Remma unterrichtet Informatik, ist als Bildungstechnologe am Deutschen Gymnasium in Tallinn aber auch für die EDV zuständig. „Die Lehrerinnen und Lehrer haben so viele Aufgaben, da können sie sich nicht auch noch im Detail mit technologischen Themen auseinandersetzen“, sagt er. (Foto: Anne-Katrin Wehrmann)

Bildungstechnologe als Vermittler

In Estland haben die Schulen ein eigenes Budget, mit dem sie nach ihren individuellen Bedürfnissen arbeiten können. So gibt es am TSG neben den „gängigen“ Professionen auch einen Schulentwicklungsmanager, eine Schulkrankenschwester und – wie an mittlerweile allen Schulen in Tallinn – einen Bildungstechnologen. Zu Erik Remmas wesentlichen Aufgaben gehört, die digitale Kompetenz der Lehrkräfte zu fördern und diese über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Darüber hinaus unterrichtet er in drei Klassen Informatik. „Wenn Lehrkräfte nicht genau wissen, wie sie ein bestimmtes Equipment, eine Software oder Plattform nutzen können, zeige ich ihnen das“, berichtet er. Das geschieht dann entweder auf Zuruf oder im Rahmen der Fortbildungen, die er an der Schule anbietet.

Aktuell sei Künstliche Intelligenz und deren Einsatz in der Lehre ein großes Thema: „Die Lehrerinnen und Lehrer haben so viele Aufgaben, da können sie sich nicht auch noch im Detail mit technologischen Themen auseinandersetzen“, sagt Remma. „Mein Ziel ist es, ihnen die Kenntnisse und Tools zu vermitteln, die sie brauchen.“

Für Mark Anry Kriisa und Triin Erala ist der Umgang mit digitalen Medien völlig selbstverständlich. Die beiden gehen in die 12. Klasse und machen in wenigen Monaten neben ihrem estnischen Abschluss auch das deutsche Abitur. (Foto: Anne-Katrin Wehrmann)

Für Mark Anry Kriisa und Triin Erala ist der Umgang mit digitalen Medien völlig selbstverständlich. Die beiden gehen in die 12. Klasse und machen in wenigen Monaten neben ihrem estnischen Abschluss auch das deutsche Abitur. An diesem Tag sind die zwei 18-Jährigen etwas müde, weil sie gerade von einem dreitägigen Militärcamp zurückkommen, in dem sie Landesverteidigung geübt haben – ein ganz normaler Bestandteil des Schullebens in Estland. Sich auf zwei unterschiedliche Prüfungsphasen gleichzeitig vorzubereiten, sei durchaus belastend, räumen sie ein. „Aber ich sehe darin auch eine große Chance, weil ich hier einen anderen Blick auf die Fächer bekomme und ich später in Deutschland Luft- und Raumfahrttechnik studieren möchte“, erzählt Kriisa. Ein Schulalltag ohne eKool ist für beide undenkbar. „Das macht die Kommunikation so viel einfacher und bequemer“, meint Erala. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Schulen in anderen Ländern das machen.“ 

Neben ChatGPT gibt es weitere künstliche Intelligenzen, die ähnliche Funktionen bieten. Wir haben eine Auswahl zusammengestellt-

Diese KI-Tools gibt es neben ChatGPT

ChatABC verfügt über zusätzliche Funktionen wie Teamzusammenarbeit, Prompt Library und Never-Down-Service.

ChatPDF ist eine KI-Anwendung, um PDF-Dateien hochzuladen und dann die KI zu den PDF-Inhalten zu befragen.

DeepL Write ist ein KI-Schreibassistent, der dabei unterstützt, bessere Texte zu schreiben.

Das Open-Source-Projekt GPT4All ist eine ChatGPT-Alternative, die lokal auf dem Rechner ausgeführt werden kann. 

Grammarly ist ein Schreibassistent, der Rechtschreib-, Grammatik-, Interpunktions-, Klarheits- und Übermittlungsfehler überprüft und mittels KI einen Ersatz für den Fehler sucht. 

Hugging Face ist eine rege Community, die auf Basis von ChatGPT und GPT4all eigene Sprachmodelle baut. 

Microsofts Bing Chat: Microsoft hat seine Suchmaschine Bing mit einer künstlichen Intelligenz kombiniert.

Neuroflash ist ein KI-Text- und Bildgenerator – allerdings vor allem für Marketingtexte.

Perplexity AI ist eine KI-Suchmaschine, die ähnlich wie ChatGPT funktioniert, aber auch Quellen angibt. Zudem werden unter dem Text „related“-Anfragen angezeigt.

Smodin ist ein KI-basiertes Tool für die automatische Textgenerierung. Das Tool bietet außerdem einen Plagiatscheck.

You.com ist der KI-Chatbot der Suchmaschine You.com

(Quellen: unterrichten.digital und Manuel Flick)

Diese Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und kann und soll fortlaufend ergänzt werden. Schreibt uns, welche KI-Tools ihr nutzt und in dieser Liste ergänzt werden sollen!